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Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Druckversion

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Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Ostarr - 12-03-2012 01:54 PM

naja die grossen firmen bieten ja die bestechung an und wie man bekanntlich weiss hat JEDER seinen preis.
ist imo somit wohl nicht nur das verschulden der staaten/institutionen "fähige" beamte einzustellen.

denn wenn man in einem armen land wohnt und man als bestechung das x-fache eines monats oder gar jahresgehalts erhält oder noch mehr, dann ist die verlockung wohl immer gross.

oder wäre jemand von euch etwa komplett unbestechlich, kann ich mir nur schwer vorstellen. deswegen habe ich ein wenig mühe mit armis aussage.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-03-2012 02:07 PM

@ostarr, ist effektiv ein Problem. Es ändert aber nichts daran dass es nichts/wenig bringt schwarze Peter zu verteilen. Man muss diese Firmen bei Gesetzesübertretung zur Verantwortung ziehen. Wer soll das machen? Nun die Beamten die die Bestechung angenommen haben. Und da haben wir wieder ein Institutionenproblem. Hätte man eine anständige Gewaltentrennung wäre dieses Problem uU nicht so eklatant oder Firmen hätten höhere Kosten weil sie mehr Beamte bestechen müssen.

Aber klar, die Vermögensverteilung hat oftmals Einfluss auf politische Resultate, diesen Einfluss kann man nur eindämmen aber wohl kaum komplett eliminieren.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Märchy - 12-03-2012 02:19 PM

armi94 schrieb:Wenn wir annehmen das Menschen nur auf Anreize reagieren und alle die gleichen Präferenzen haben trifft die Firmen natürlich keine Schuld. Wenn man heterogene Präferenzen unterstellt welche Menschen nicht selbst wählen können (oder nicht so bewusst), dann kann man zwar sagen dass diese Firma, resp. die Menschen die dort arbeiten "schlechte" Präferenzen haben. Schuld kann man aber nur zuweisen wenn Menschen heterogen sind und freiwillig ihre Präferenzen wählen. Läuft darauf hinaus ob du Menschen einen freien Willen unterstellst.

Ja gut, das mit dem freien Willen ist IMO immer ein bisschen ein Totschlagargument. Man kann es fast immer bringen ("hey, mach mir keinen Vorwurf für mein Handeln, ich kann nichts dafür!") und man kann eigentlich nichts darauf erwidern.

Und aus diesem Winkel betrachtet, kann man ja auch den Institutionen keinen Vorwurf machen, da ja sie auch nur ein Produkt irgendwelcher Präferenzen sind.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-03-2012 02:25 PM

Ja sind sie, aber man kann beurteilen öb sie aus ökonomischer Sicht gut oder schlecht funktionieren. Zudem wenn wir Präferenzen als fix annehmen kann man über das Anreizsystem Dinge verändern in eine "gute" Richtung. Zudem spielts ne enorme Rolle wie Institutionen zustande kommen etc, ist relativ komplex. Die Frage ist nicht ob Institutionen aufgrund von irgendwelchen Präferenzen entstanden sind sondern ob die Präferenzen nach gewissen Kriterien abgebildet wurden (möglichst viele Bürger zufrieden stellen, effiziente Funktionsweise, Umverteilung, Lösung von sozialen Dilemmas etc).

Von demher kann man Problemlos keinen freien Willen unterstellen und Dinge beurteilen nach gewissen Gesichtspunkten. Freier WIllen heisst ja nicht das sozial optimale Ergebnisse rauskommen.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 12-03-2012 04:15 PM

Märchy schrieb:Bei der ganzen Diskussion spüre ich einfach irgendwie nie die Meinung, dass alle Beteiligten eine gewisse Verantwortung haben. Oder ist es einfach völlig realitätsfremd, von grossen Firmen so was wie Verantwortungsbewusstsein oder soziales Engagement zu erwarten? Klar, es ist in dem Sinn nicht ihr Job. Aber es ist auch nicht mein Job (oder der Millionen anderer), zu spenden, aber wir machen es trotzdem.

klar hätten sie eine gewisse Verantwortung... klar wäre es schön wenn sie diese wahrnehmen würden. Und ich bin überzeugt x firmen machen es auch. Aber es ist ja auch irgendwie n wenig "obv." und die Frage kommt dann: "now what"?

Ich mein die Anreize sind offensichtlich da, solches assoziales verhalten an den tag zu legen... und obv. scheint es auch emotional relativ einfach zu sein, weil es halt oft indirekt "evil" ist. Ich bin überzeugt, dass viele bei glencore sich da emotional irgendwas zurechtgelegt haben, dass sie sich als nicht "evil" sehen. Man muss sich einfach immer wieder vor augen halten, dass sich wohl die allermeisten leute nicht bewusst sind, dass sie "evil" sind.

Da stellt sich halt schon die Frage: was bringts, den Firmen was vorzuhalten? Ich mein das ist wie bei nem vergewaltiger... jeder weiss, es ist nicht richtig, obv. hält ihm jeder vor, dass er ein vergewaltiger ist etc. aber er vergewaltigt nun mal frauen, ergo ist die frage, was tut man, um das zu verhindern / zu bestrafen etc. etc.

klar die diskussionen werden dann sehr schnell "kalt" und "emotionslos" handkerum macht es sinn jedes mal noch n disclaimer ranzuhängen "ich finds imfall auch mega schlimm"? Ich tus oft, weil einem ja sonst vorgeworfen wird, man hat kein soziales verständnis, wenn man für pragmatische lösungen ist, die nicht nach perfektion streben...

aber irgendwie hat für mich der alleine der fakt, dass sich firmen scheisse verhalten recht schnell ausdiskutiert...

Ich mein Menschen verhalten sich die ganze zeit scheisse, und es geht durch alle bevölkerungsgruppen... und jeder hat die sicht, dass ER sich weniger scheisse als der durchschnitt verhält Smile


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 12-03-2012 05:08 PM

armi94 schrieb:Korruption ist ökonomisch gesehen ineffizient und sollte durch entsprechende Gestaltung von Institutionen verhindert werden. Ist halt ne Frage des Designs einer Institution, welches in vielen Drittweltländern schlechter ist als in entwickelten Ländern.

Aber grundsätzlich sollte man, wenn man das Problem lösen will, davon Abstand nehmen einer Firma oder den Beamten die Schuld zu geben. Viel mehr muss man den Institutionen dieser Länder die Schuld geben welche solches Verhalten durch Selektion schlechter Beamten und durch diskretionären Spielraum nach der Selektion zulassen. Also muss man dort ansetzen wenn man etwas verändern will.
Das Design der Institutionen wirkt sich nur sehr begrenzt auf Effizienz und Korruption in einem Land aus. Das hat mehr mit Sozialem Kapital und der Kultur des Landes zu tun. Siehe Robert D. Putnam: Making Democracy Work: Civic Traditions in Modern Italy (1993), in dem der Autor schön aufzeigt, wie augenscheinlich gleiche Ausgangslagen und Institutionen zu völlig unterschiedlichen Resultaten führen können.

Irak und Afghanistan sind zwei weitere aktuelle Beispiele, bei denen Top-Down-Institutionsentwürfe gescheitert sind. Demokratie und Rechtstaat sind eben nicht nur eine Frage von funktionierenden Strukturen, sondern auch abhängig vom Willen der Menschen, die Demokratie zu leben.

Die Frage bleibt, ob Firmen, die die Korruption für ihre eigenen Zwecke ausnutzen, für die Aufrechterhaltung der Missstände in diesen Ländern eine Mitverantwortung tragen und wenn ja, wie gross diese ist. Zu Anfang dieser Diskussion hätte ich die Frage klar mit Ja beantwortet, mittlerweile bin ich nicht mehr ganz sicher.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Märchy - 12-03-2012 05:43 PM

Paxinor schrieb:
Märchy schrieb:Bei der ganzen Diskussion spüre ich einfach irgendwie nie die Meinung, dass alle Beteiligten eine gewisse Verantwortung haben. Oder ist es einfach völlig realitätsfremd, von grossen Firmen so was wie Verantwortungsbewusstsein oder soziales Engagement zu erwarten? Klar, es ist in dem Sinn nicht ihr Job. Aber es ist auch nicht mein Job (oder der Millionen anderer), zu spenden, aber wir machen es trotzdem.

klar hätten sie eine gewisse Verantwortung... klar wäre es schön wenn sie diese wahrnehmen würden. Und ich bin überzeugt x firmen machen es auch. Aber es ist ja auch irgendwie n wenig "obv." und die Frage kommt dann: "now what"?

Ich mein die Anreize sind offensichtlich da, solches assoziales verhalten an den tag zu legen... und obv. scheint es auch emotional relativ einfach zu sein, weil es halt oft indirekt "evil" ist. Ich bin überzeugt, dass viele bei glencore sich da emotional irgendwas zurechtgelegt haben, dass sie sich als nicht "evil" sehen. Man muss sich einfach immer wieder vor augen halten, dass sich wohl die allermeisten leute nicht bewusst sind, dass sie "evil" sind.

Da stellt sich halt schon die Frage: was bringts, den Firmen was vorzuhalten? Ich mein das ist wie bei nem vergewaltiger... jeder weiss, es ist nicht richtig, obv. hält ihm jeder vor, dass er ein vergewaltiger ist etc. aber er vergewaltigt nun mal frauen, ergo ist die frage, was tut man, um das zu verhindern / zu bestrafen etc. etc.

klar die diskussionen werden dann sehr schnell "kalt" und "emotionslos" handkerum macht es sinn jedes mal noch n disclaimer ranzuhängen "ich finds imfall auch mega schlimm"? Ich tus oft, weil einem ja sonst vorgeworfen wird, man hat kein soziales verständnis, wenn man für pragmatische lösungen ist, die nicht nach perfektion streben...

aber irgendwie hat für mich der alleine der fakt, dass sich firmen scheisse verhalten recht schnell ausdiskutiert...

Ich mein Menschen verhalten sich die ganze zeit scheisse, und es geht durch alle bevölkerungsgruppen... und jeder hat die sicht, dass ER sich weniger scheisse als der durchschnitt verhält Smile

Ich glaube schon, dass es was bringt. Wenn über jede Firma, die sich "scheisse verhält" (nach wessen Standard auch immer) ein Shitstorm biblischen Ausmasses reinbricht, kann das wahrscheinlich schon einen Einfluss haben, die sind ja auch nicht unbedingt scharf auf negative Publicity.

Und natürlich bringt es "nichts", wenn wir das hier im Forum, in diesem Thread diskutieren, aber das ist ja auch nicht das Ziel. Ich will auch niemandem irgendwie Gefühlskälte unterstellen, ich finde auch, dass man das so nüchtern wie möglich betrachten sollte.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-03-2012 06:00 PM

@Märchy, klar bringt es etwas und wie gesagt finds auch eher wünschenswert wenn Menschen solche Firmen sanktionieren. (siehe Post oben)
Aber es löst die Problematik wohl nur sehr bedingt und hängt in sehr grossem Mass von der zur Verfügung stehenden Information und dem Goodwill der Leute ab ihre Zeit für einen Beitrag einzusetzen der womöglich verschwindend geringen Impact hat (im Kollektiv hat er natürlich einen). Daher kann man imo nicht einfach darauf "hoffen" (und ich glaube auch nicht dass das dein Punkt ist), dass Firmen sich für in alle Ewigkeit massiv häufiger an die Regeln halten (was das "beste" für alle wäre). Dieser Effekt wird noch verstärkt falls du unterstellst dass Menschen generell abstumpfen mit der Zeit gegenüber von iwelchen immer gleichen Skandalen.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - YrrsiN - 12-07-2012 03:59 AM

Paxinor schrieb:Ich dachte es gibt immer weniger Investitionsmöglichkeiten?
Global gesehen würde ich das nicht behaupten bzw habe ich das nicht behauptet (zudem kommt diese Aussage ja sowieso nicht von mir sondern von Huffschmid).

Paxinor schrieb:Ich sehe nicht ein, wie jemand einfach "immer reicher und reicher" werden kann, nur weil er schon kapital besitzt, ohne, dass die, die kein kapital besitzen nicht auch irgendwie profitieren.

Wo habe ich behauptet, dass diejenigen ohne Kapital nicht auch davon profitieren? Sie müssen aber hingegen eine Leistung erbringen um mit dem Kapital die Zinsen bezahlen zu könen. Die Gläubiger hingegen müssen, abgesehen davon dass sie ihr Geld nicht mehr direkt produktiv umsetzen können, nichts dafür tun um es zu vermehren.
Es geht in meinem Punkt vielmehr um das Problem des Kapitalwachstums auf Seiten der Reichen, ohne dass dafür eine Leistungssteigerung ihrerseits vorhanden wäre. Ob das jetzt ethisch verwerflich ist oder nicht sei dahingestellt, aber es erklärt einfach den Unterschied von Kapitalwachstum zwischen reichen und armen Menschen. Nicht, dass die Reichen kein Geld besitzen für das sie nicht arbeiten mussten, aber sie können verhältnismässig mehr Geld besitzen als arme Menschen ohne dafür gearbeitet zu haben.

Paxinor schrieb:(siehe mein Geld thread!)

Wo finde ich deinen Geld-Thread?!?

Paxinor schrieb:ich hätte gerne eine genaue definition was der unterschied zwischen einer "investition" und "Spekulation" ist. Imo gibt es nämlich keinen.

Hmm. Investition würde ich als eine Anlagestrategie bezeichnen, welche einen ziemlich eindeutigen positiven Erwartungswert besitzt, währenddem die Spekulation eine Strategie ist, welche eine viel höhere Varianz aufweist (und dementsprechend viel risikobehafteter ist) und nicht zwingend einen positiven Erwartungswert hat und dementsprechend von risikoaffinen Personen genutzt wird.
Aber wie du siehst hab ich mir dazu ehrlich gesagt noch keine grossen Gedanken gemacht.

Paxinor schrieb:kannst du das irgendwie belegen, dass dem so ist?

Ich erkenne in unserem Halndeln selten langfristige Tendenzen sondern oftmals nur ein kurzfristiges (Profit-)denken: z.B. Umwelt (Investitionen in erneuerbare Energien imo viel zu spät; man investiert erst dann wenn ein finanzieller Nutzen ersichtlich ist. Die langfristigen Probleme/Kosten von Kohle/Gaskraftwerken o.ä. wurden bis dahin immer ausgeblendet) oder Politik (man denkt oftmals nur bis zu den nächsten Wahlen. Siehe Beispiel Griechenland: Merkel würde niemals die Griechen als bankrott erklären lassen, da sie und ihre Partei bei den nächsten Wahlen keine Chance mehr hätte wiedergewählt zu werden).
Aber ja, es war eine Aussage von mir die ich ohne eine Studie behauptet habe. Hast du vielleicht Zahlen zum Verhältnis langfristige/kurzfristige Investitionen? Wieviel verstehst du unter "ein Grossteil davon"?


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-07-2012 08:52 AM

@MP Rator
Ja kenne das Paper, aber wenns sowieso nur ueberwiegend an der Kultur liegt kann man in den entsprechenden Ländern kaum was aendern
@Yrsinn
Siehe finance Abteilung im Forum.