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Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Druckversion

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Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-17-2012 02:32 PM

YrrsiN schrieb:unserem Wirtschaftssystem vorhanden sind sollte man bei gewissen Missständen einfach eingreifen (siehe z.B Atomenergie, Spekulationen auf dem Finanzmarkt o.ä).

Ich muss hier schnell einhaken: wo ist bei der Atomenergie oder bei "spekulationen auf dem finanzmarkt" (btw. was ist das überhaupt?)

wir alle wollten atomenergie... und ich finde nicht, dass irgendwelche marktwirtschaft oder whatever da böse mitspielt, oder sonst irgendwelche kräfte am laufen sind... atomenergie ist vom staat gewollt und auch von der bevölkerung... und jetzt wollen wirs im Moment nicht mehr... und jetzt schaffen wir sie ja ab... (was wir uns dann in der zukunft wohl nochmals überlegen werden, weil es wird den mittelstand hart treffen, und fukushima wird nicht mehr präsent sein)

und zur spekulation am finanzmarkt... kA was man dort sonst machen sollte... und was daran schlecht sein sollte... wenn wir in der heutigen zeit eins zu wenig haben, dann sind es spekulative anleger... Die Leute prangern das an, aber ich versthe nicht ganz woher das kommen sollte, warum das so "evil" ist... aber was ist denn evil? dass jemand werte zu einem preis handelt, die als realistisch betrachtet werden? ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemandem schadet...

zum grundeinkommen: in der theorie ok, aber obs in der praxis funktioniert... gibt da einige probleme... wobei ich finde das müsste so tief sein, dass man knapp überlebt...


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 10-17-2012 09:07 PM

Zum Begriff der Spekulation:

Beispiel Nahrungsmittel. Sagen wir, es gibt mal wieder in einem wichtigen Anbaugebiet eine Missernte. D.h. die Nahrung ist in diesem Moment knapper als sonst. Folglich steigt der Preis. Dadurch wird es für die "Spekulanten" attraktiv, grössere Mengen an Nahrungsmitteln aufzukaufen, weil sie darauf spekulieren, dass der Preis weiterhin steigen wird und sie die Nahrung mit Gewinn weiterverkaufen können. Durch ihre Spekulation (= Hortung von Nahrung zum späteren gewinnbringenden Verkauf) treiben sie die Preise für die knappe Nahrung noch zusätzlich hoch, weil sie das ohnehin knappe Nahrungsmittelangebot "künstlich" weiterverknappen.

So jedenfalls stell ich mir das als Laie vor, ich habe keine Ahnung, ob es in Wirklichkeit tatsächlich so vor sich geht.

Und was soll daran unmoralisch sein? Schliesslich ist es für Börsianer, Invesoren u.s.w. doch völlig normal, in Sachen zu investieren, von denen sie sich zu einem späteren Zeitpunkt einen Gewinn erwarten. Läuft doch alles fair, nicht? Ich denke, das moralische Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass beispielsweise Nahrung eben nicht ein Gut wie jedes andere ist. Wir sind auf Nahrung angewiesen, genauso auf saubere Luft und sauberes Wasser. Deshalb ist die Idee wohl die, dass ein künstlich überhöhter Preis für ein lebenswichtiges Gut eben nicht "fair" ist, obwohl der Preis auf dem freien Markt zustande gekommen ist. Für lebenswichtige Güter würden wir in letzter Konsequenz ALLES opfern. Es ist moralisch nicht okay, wenn Menschen hungern müssen, weil einige Spekulanten Kohle machen wollen.

Während und nach dem 2. WK wurden viele Bauern in Deutschland sehr reich. Die Nahrung war knapp und viele Städter sind regelmässig aufs Land gegangen um direkt auf den Höfen Nahrungsmittel zu kaufen, zu brutal überhöhten Preisen. Da ging manch eine goldene Taschenuhr für ein Kilo Kartoffeln über die Ladentheke. Ist eine Uhr für ein Kilo Kartoffeln unter diesen Umständen ein "fairer" Preis? Ja. Denn die Nahrung ist tatsächlich knapp. Es war nicht so, dass irgendwo gigantische Vorräte lagerten, die die habsüchtigen Bauern immer nur häppchenweise an den Mann gebracht haben, um möglichst hohen Profit rauszuschlagen. Die Nahrung war tatsächlich knapp und der hohe Nahrungsmittelpreis somit die logische Konsequenz.

Bei heutigen Nahrungsmittelkrisen sieht die Sache imho anders aus. Eigentlich gäbe es genug zu fressen, wenn das Angebot durch die Spekulation nicht künstlich verknappt würde.

Mit Essen spielt man nicht, heisst es doch. Der Spruch kommt bestimmt von der Kriegsgeneration.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-17-2012 10:01 PM

M.P.Rator schrieb:Zum Begriff der Spekulation:

Beispiel Nahrungsmittel. Sagen wir, es gibt mal wieder in einem wichtigen Anbaugebiet eine Missernte. D.h. die Nahrung ist in diesem Moment knapper als sonst. Folglich steigt der Preis. Dadurch wird es für die "Spekulanten" attraktiv, grössere Mengen an Nahrungsmitteln aufzukaufen, weil sie darauf spekulieren, dass der Preis weiterhin steigen wird und sie die Nahrung mit Gewinn weiterverkaufen können. Durch ihre Spekulation (= Hortung von Nahrung zum späteren gewinnbringenden Verkauf) treiben sie die Preise für die knappe Nahrung noch zusätzlich hoch, weil sie das ohnehin knappe Nahrungsmittelangebot "künstlich" weiterverknappen.

ich stelle hier einfach folgende, simple frage: Wenn Spekulanten das Gewinnbringend machen können, wer zur Hölle ist der Vollidiot auf der anderen Seite, der bevor der Preis hoch geht noch Weizen an Spekulanten verkauft? Das ganze wird ja über die Börse gemacht... Gerade die Produzenten wissen ja am besten Bescheid über diese Ernten etc. und haben im gegensatz zu den Spekulanten auch die möglichkeit ihre Nahrung zu lagern. Dieses Argument wird immer wieder wiederholt, aber ich sehe bis heute nicht wie das funktionieren sollte... Du brauchst ja irgend nen Deppen, der dir in seiner Unwissenheit die Nahrung billig verkauft, damit der Preis noch steigen kann... Wer soll dass sein an einer Futures Börse für Weizen, wo informierte Produzenten mit klugen Spekulanten zusammenkommen?

darum macht das hier nicht wirklich sinn
Zitat: Für lebenswichtige Güter würden wir in letzter Konsequenz ALLES opfern. Es ist moralisch nicht okay, wenn Menschen hungern müssen, weil einige Spekulanten Kohle machen wollen.

Während und nach dem 2. WK wurden viele Bauern in Deutschland sehr reich. Die Nahrung war knapp und viele Städter sind regelmässig aufs Land gegangen um direkt auf den Höfen Nahrungsmittel zu kaufen, zu brutal überhöhten Preisen. Da ging manch eine goldene Taschenuhr für ein Kilo Kartoffeln über die Ladentheke. Ist eine Uhr für ein Kilo Kartoffeln unter diesen Umständen ein "fairer" Preis? Ja. Denn die Nahrung ist tatsächlich knapp.

Zitat: Es war nicht so, dass irgendwo gigantische Vorräte lagerten, die die habsüchtigen Bauern immer nur häppchenweise an den Mann gebracht haben, um möglichst hohen Profit rauszuschlagen.
Wie soll das bitte aufgehen? Nahrungsmittel sind verderblich, und es ist nicht möglich die menge langfristig künstlich knapp zu halten, weil 1. kein Nahrungsmittelmonopol herrscht und 2. Nahrungsmittel nur begrenzt hortbar sind. Wenn folgendes gilt:

Zitat:Bei heutigen Nahrungsmittelkrisen sieht die Sache imho anders aus. Eigentlich gäbe es genug zu fressen, wenn das Angebot durch die Spekulation nicht künstlich verknappt würde.

Du sagst es gibt genug zu essen, aber die Spekulanten halten es "zurück" um den preis "künstlich" hochzuhalten. Von welchem dummkopf kaufen sie es billig, wo lagern sie es und wo ist dieser haufen Nahrung, den sie über die Jahre angesammelt haben? Imo kommt die ganze produzierte Menge an Nahrung auf den markt muss es ja... und warum verkauft nicht irgend n spekulant mal alle nahrungsmittel, anstelle sie einfach verderben zu lassen?


Zitat:Mit Essen spielt man nicht, heisst es doch. Der Spruch kommt bestimmt von der Kriegsgeneration.
Naja also das ist jetzt ne ziemlich leere platitüde... Ich würde vorschlagen du zeichnest mir anhand einem inselbeispiel mit n paar produzenten und n paar spekulanten, und Nahrung mit einer mittelfristigen haltbarkeit auf wie der mechanismus funktionieren würde von Spekulanten, die den preis künstlich hochtreiben, und irgendwelchen deppen, die sich abzocken lassen...

Ich wüsste nur einen Weg wie es funktionieren kann: die Spekulanten sorgen dafür, dass es einen effizienten markt gibt, und allfällige fehler der Produzenten ausmerzen... und es genau gleich funktioniert wie damals im 2. Wk... nur ist jetzt das problem, das gewisse leute 50 uhren haben und manche nur 1ne... und die mit den 50 uhren kaufen alle nahrung auf und werfen denn 1/3 davon weg...

und so ist es auch wie es heutzutage abläuft... aber diese künstliche spekulantenpreise ist doch ein völliger witz... gerade weil wir eben alle nahrung unendlich viel zu zahlen bereit sind, verhungert immer zuerst der arme, wenn es nahrung nicht wirklich im massiven überfluss gibt...

Aber wo da der Spekulant was ganz schlimmes macht kann ich jetzt echt nicht sehen... Wenn leute wirklich glauben, dass wenn es diese Spekulanten nicht gäbe die Nahrungspreise billiger wären... dann hat man das imo nie wirklich zuende überlegt... man sollte diesen Argumenten wirklich relativ kritisch gegenüberstehen, auch wenn sie aus dem "eigenen" Lager kommen...


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 10-17-2012 10:18 PM

Fuck, paxi war schneller.

@Rator
Zu Nahrungsmittelpreisen: Kann NIEMALS längerfristig (>paar Tage) so funktionieren. Der Grund ist simpel: wenn die Preise in die Höhe getrieben werden durch Hortung wird sie derjenige der gehortet hat nicht mehr zu den Preisen weiterverkaufen (gab schon spektakuläre Fälle wo das Firmen versucht haben z.B. der Vorgänger von Glencore). Wenn wir davon ausgehen dass Marktteilnehmer Profite machen wollen, dann werden sie keine Nahrungsmittel kaufen die teurer sind als der Wert den die Marktteilnehmer dieser Nahrung beimessen. Und das ist der beste Schätzer für den "wirklichen" Preis. Per se ists ja auch der wirkliche Preis, es gibt keinen "wirklicheren" oder "richtigeren". Wenn Preise hoch sind heisst dass grundsätzlich dass die GANZE Welt Nahrungsmittel als wertvoll einschätzt, das hat nichts mit "Spekulation" (was auch immer das Wort genau bedeuten soll) zu tun. Daher hungert auch niemand wegen Spekulation sondern die Preise sind hoch WEIL die Leute hungern.

Ich halte es für sehr gefährlich wenn man beginnt viele Güter mit dem Label "meritorisches" Gut zu bezeichnen. Das führt genau dazu dass Fischgründe aus Übernutzung aussterben, respektive dass generell Allmendgüter übernutzt werden. Man hat das Gefühl etwas sei sehr wichtig, also will man dem keinen Eigentümer geben, fair enough. Das Problem ist nur: ohne Eigentümer hat auch niemand einen Anreiz die Allmende nachhaltig zu nutzen (Generell interessant: Ostrom, welche den Nopelpreis für ihre Arbeit gewonnen hat und nicht grad "Mainstream" Ökonomie "macht"). Klar wäre es moralisch nicht oke wenn "Spekulanten" Leute zum hungern bringen, aber dass ist in den allermeisten Fällen und sicher langfristig die falsche Richtung des Wirkungszusammenhangs.

Grundsätzlich leben wir auch heute in genau der Gesellschaft die du schilderst. Nur ists heute halt nicht mehr ein Bauer den man kennt sondern ein Markt der kompetitiv ist und wo sich sehr viele Akteure tummeln. Wenn ein Markt kompetitiv ist, dann hat auch niemand Marktmacht.

Daher kann das Angebot nicht künstlich verknappt werden. Es ist knapp.

Zum Artikel werd ich mal morgen evtl meinen Senf dazu geben ;-).

Ergänzung: Die "Schuld" beim Markt oder irgendwelchen Konsumenten zu suchen halte ich für verfehlt. Das Problem liegt darin dass die Menschen die hungern nicht die Produktivität haben und/oder nicht die Institutionen die ihnen Zugang zu Nahrungsmitteln verschaffen könnten.

Hier noch ein Link zu nem Paper von Ostrom:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://wwz.unibas.ch/fileadmin/wwz/redaktion/wipo/Vorlesungen/2012/PolEcon/Ostrom98.pdf">http://wwz.unibas.ch/fileadmin/wwz/reda ... trom98.pdf</a><!-- m -->


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 10-17-2012 10:35 PM

Merci für die promten Antworten.

@armi
Ostrom kenne ich. Ist schon etwas länger her, dass ich die Theorie gelesen habe. Iirc ist Privatisierung eine Möglichkeit, das Allmendproblem zu lösen, aber nicht unbedingt die einzige.

Paxinor schrieb:Aber wo da der Spekulant was ganz schlimmes macht kann ich jetzt echt nicht sehen... Wenn leute wirklich glauben, dass wenn es diese Spekulanten nicht gäbe die Nahrungspreise billiger wären... dann hat man das imo nie wirklich zuende überlegt... man sollte diesen Argumenten wirklich relativ kritisch gegenüberstehen, auch wenn sie aus dem "eigenen" Lager kommen...
Eben, das ist ja der Grund, warum ich meine Vorstellung von Spekulation hier gepostet habe. Mittlerweile weiss ich ja, dass meine Argumente demontiert werden, drum poste ich ja so gerne ;-)

@Euch Beide
Ich sehe den Punkt mit den verderblichen Nahrungsmitteln (obwohl Vieles wohl ziemlich lange haltbar ist) und ich sehe auch die berechtigten Zweifel an der Existenz von dummen Händlern, die den gerissenen Spekulanten Ware unter "Marktpreis" schenken. Besonders Du, Pax, stellst jede Menge Gegenfragen, die ich selbstverständlich nicht beantworten kann.

Ich frage mich halt, warum die ganze Welt über die Spekulanten wettert. Nicht nur wegen den Nahrungsmitteln, sondern auch im Rahmen der Finanzkrisen. Spekulanten werden ja auch für Blasen verantwortlich gemacht. Mir ist bewusst, dass eine Sache, nur weil viele Leute sie behaupten, dadurch nicht richtiger wird (ist ja zB bei Religionen auch nicht so). Ist also die ganze Hetze gegen Spekulanten (die ja eurer Meinung nach gar nicht existieren) reiner BS? Ist da wirklich gar nichts dran? Kämpfen wir alle gegen Windmühlen?


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 10-18-2012 12:19 AM

Agree zu Ostrom, sie zeigt ja eben auch wie's ohne möglich ist aber vor allem eben auch wo nicht.

Das Argument gegen Spekulanten ist wohl ein angenehmens weil sich die meisten Leute dann nicht mehr so mit den Konsequenzen ihres politischen Handelns auseinandersetzen müssen (die oft dazu führen dass Leute unter anderem von Institutionen (z.B. Steuern, nicht-tarifäre und tarifäre Handelshemmnisse) hungern. Damit meine ich nicht die Leute hier in der Diskussion, welche sich offensichtlicherweise viele Gedanken machen. Ist aber alles jetzt ein wenig salopp formuliert ;-). Daher;

Es gibt irrationales Verhalten von Anlegern wobei die Irrationalität darin besteht dass die Leute Trends extrapolieren und entsprechend Wetten platzieren. Das Problem entsteht dann wenn praktisch alle anderen Leute dieselben Einschätzungen treffen, also wenn kollektiv die Einschätzung "falsch" ist. Das weiss man aber auch erst im Nachhinein (üblicherweise). Es gibt also für die Anleger fast keine Möglichkeit den "Fehler" zu erkennen (sonst würden sie es ausnutzen). Diese Blasenbildung kann aber nicht ewig dauern, weil irgendwer eben irgendwann darauf kommt und entsprechend handelt. Dass es Blasen gibt zeigt zwar dass es irrationales Anlegerverhalten gibt, aber auch, dass irgendwann jemand in eine kompetitiven Umfeld beginnt das auszunutzen. Meistens werden zudem Blasen von Regulierungen geschaffen (zu tiefer Leitzins in den USA ->mit tons of anderem Zeugs-> Krise). Das bedeutet die Anleger handeln u.U. nicht irrational gegeben den Rahmenbedingungen nur dass sich diese dann schlagartig ändern können (Erhöhung der Zinsen).

Grundsätzlich; meiner Meinung nach ist sehr wenig Gehalt dahinter. Zumal da kollektive Irrationalität nicht mit dem agieren weniger grosser Firmen zum Ziel der Erhöhung von Nahrungsmittelpreisen gleichgesetzt werden kann (sind obvsly zwei andere Dinge, die Anleger verfolgen nicht das Ziel die Preise zu erhöhen sondern Profit zu machen, also es eben auch auszunutzen wenn die Preise zu hoch sind oder Preissenkungen zu antizipieren).

Politische Randnotiz: Imo verpufft unglaublich viel Energie beim Kämpfen gegen "schlimme" Dinge die man beobachtet und glaubt deren unmittelbare Ursache zu kennen. Ohne positive Analyse wird dann attackiert. Das Problem liegt imo in den meisten Fällen z.B. bei offenen Märkten und Marktversagen aufgrund von Externalitäten oder Monopolen sowie bei "offenen" Märkten (Agrarhandel im Artikel ist eben alles andere als offen) die eben nicht offen sind und ineffizient reguliert institutionelles Versagen vor. Es ist wohl illusorisch Institutionen ideal zu designen aber was oft betrieben wird ist unglaublich haarsträubend und meist muss man wohl sagen dass Staatsversagen >>>>>> Marktversagen. (Staat versagt meistens bevor Markt überhaupt offen ist.)


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-18-2012 10:18 AM

M.P.Rator schrieb:Ich frage mich halt, warum die ganze Welt über die Spekulanten wettert. Nicht nur wegen den Nahrungsmitteln, sondern auch im Rahmen der Finanzkrisen. Spekulanten werden ja auch für Blasen verantwortlich gemacht. Mir ist bewusst, dass eine Sache, nur weil viele Leute sie behaupten, dadurch nicht richtiger wird (ist ja zB bei Religionen auch nicht so). Ist also die ganze Hetze gegen Spekulanten (die ja eurer Meinung nach gar nicht existieren) reiner BS? Ist da wirklich gar nichts dran? Kämpfen wir alle gegen Windmühlen?

100% reiner BS. Es ist imo ne pure Hexenjagt, und erinnert mich irgendwie sehr an die Argumentation des Mittelalters warum es die Pest gibt, und wie man sie bekämpfen kann.

Man erfindet eine "Person", die irgendetwas auf magische weise "verursacht", was allen schadet und die ist dann Schuld an irgend einem Misstand... Niemand weiss so genau, wie sie das macht, warum sie es macht, aber alle sind sie sicher, dass sie es macht, und dass sie das mit aktiven bösen Absichten macht.

Siehe Hexen, Miasmen, Gottes Rache, Juden etc. Man weiss nicht genau wie sie Schaden, aber sie werden es schon tun!


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 10-18-2012 05:35 PM

So sick! Ich kann es immernoch nicht richtig glauben. Dabei will ich euch glauben, wirklich. Das würde das Leben etwas unbeschwerter machen.

Natürlich würde ich euch jetzt gerne noch einen eloquenten Gegner auf den Hals hetzen und genüsslich die Diskussion mitverfolgen, um mir eine bessere Meinung bilden zu können... weil ich eben nicht genug von der Materie verstehe, um in-depth mitdiskutieren zu können.

Kürzlich bin ich übrigens auf eigene Faust auf kolossales Staatsversagen gestossen: Als ich letztes Jahr in Neuseeland war, habe ich ein Paper über die neuseeländische Agrarreform ab 1984 verfasst. War echt interessant, ich habe mich im Laufe des Schreibens vom Befürworter zum strikten Gegner von Subventionen gewandelt. NZ ist heute das Land mit den geringsten Agrarsubventionen (<5% des Farmereinkommens), die Schweiz das Land mit den höchsten (>50% des Bauerneinkommens). Nur nennt man das Kind in der Schweiz nicht beim Nahmen, sondern man nennt es "Direktzahlungen" :-) Shit has to stop.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - tron - 10-18-2012 06:36 PM

agree inhaltlich, aber direktzahlung ist ned das gleiche wie subventionen. (also sind schon beides subventionen, aber man versteht was anderes darunter). hauptvorteil von direktzahlungen ist, dass es weniger anreiz-verschiebungen gibt und ziele besser verfolgt werden können. zudem weniger gefahr von überproduktion (stichwort milchberg, oder was war das?). jedenfalls hab ich das so im kopf von früher... aber eben, inhaltlich völlig agree mit dir.

zum topic nahrungs-spekulation: hab keine 100% festgelegte meinung (gute gegenargumente fänd ich auch spannend hier), aber tendiere auch zu mehr oder weniger bullshit. mein hauptproblem am ganzen ist: "spekulanten" haben ja offensichtlich nur interesse an profit. ob preise also zu hoch oder zu tief sind, ist ihnen völlig egal. wenn sie die preise drücken können (resp. preise zu hoch sind aktuell) und das profitpotential hat, dann shorten sie (oder verkaufen etc). wenn sie die preise erhöhen können (oder sie zu tief sind), dann kaufen sie. nun ist es ja aber nicht so, dass es nur ein spekulant im markt hat, sondern es gibt hunderte. alle mit eigener meinung, analysen und investment-entscheidungen. und wie armi sagt, der aktuelle preis kann sich zwar kurz / mittelfristig vom "realen preis" verschieben, aber sobald der unterschied zu hoch ist gibt es automatisch eine massive gegenbewegung durch andere spekulanten.
schau, bei den aktienmärkten motz(t)en alle darüber, dass spekulanten die preise drücken durch short verkäufe, bei den commodities motzen alle, dass spekulanten die preise erhöhen künstlich. in der realität ist wohl nichts von beidem der fall in einigermassen langfristig gesehenem durchschnitt.
wie gesagt, gute gegenargumente immer willkommen.

noch als zusatz zu deiner ursprünglichen frage (pax hat ja schon probleme aufgezeigt):
Zitat:Beispiel Nahrungsmittel. Sagen wir, es gibt mal wieder in einem wichtigen Anbaugebiet eine Missernte. D.h. die Nahrung ist in diesem Moment knapper als sonst. Folglich steigt der Preis. Dadurch wird es für die "Spekulanten" attraktiv, grössere Mengen an Nahrungsmitteln aufzukaufen, weil sie darauf spekulieren, dass der Preis weiterhin steigen wird und sie die Nahrung mit Gewinn weiterverkaufen können. Durch ihre Spekulation (= Hortung von Nahrung zum späteren gewinnbringenden Verkauf) treiben sie die Preise für die knappe Nahrung noch zusätzlich hoch, weil sie das ohnehin knappe Nahrungsmittelangebot "künstlich" weiterverknappen.
selbst wenn man das problem der haltbarkeit ignoriert: wir sind uns ja glaubs einig, dass es nicht realistisch ist, anzunehmen, dass der überhöhte preis eines nahrungsmittels auf alle ewigkeit einfach zu hoch bleiben wird (wenn man nun mal die möglichkeit ignoriert, dass der spekulant einfach aus bosheit regelmässig grossteil der kommenden ernten aufkauft und dann zerstört... hehe). sagen wir es gibt weltweit eine schlechte reisernte und spekulant A kauft nun 50% des reises auf und treibt den preis in die höhe. nun kommt spekulant B und sieht dass der preis steigt und macht mit und kauft noch mehr reis auf. das angebot wird noch knapper und der preis noch höher. ABER: relativ rasch kommt der punkt, wo der reis preis so stark aus dem gleichgewicht ist, dass spekulanten C, D, E, F, G und Y realisieren, dass es eine massive profit opportunity gibt, den schliesslich gibt es in 2 monaten wieder die nächste reis-ernte (und er zudem spekulanten A und B ficken kann, diese mongos, was er sowieso super findet) und "shorten reis" massiv und treibt somit den preis wieder runter auf das ursprüngliche niveau (oder etwas tiefer). natürlich ist dies eine starke vereinfachung, aber ich sehe nicht, was grundsätzlich am prozess falsch ist. commodities märkte sind unglaublich liquid und aktiv und es ist imho unrealistisch anzunehmen, dass sich das nicht mehr oder weniger rasch einpendelt.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-18-2012 07:26 PM

tron schrieb:selbst wenn man das problem der haltbarkeit ignoriert: wir sind uns ja glaubs einig, dass es nicht realistisch ist, anzunehmen, dass der überhöhte preis eines nahrungsmittels auf alle ewigkeit einfach zu hoch bleiben wird (wenn man nun mal die möglichkeit ignoriert, dass der spekulant einfach aus bosheit regelmässig grossteil der kommenden ernten aufkauft und dann zerstört... hehe). sagen wir es gibt weltweit eine schlechte reisernte und spekulant A kauft nun 50% des reises auf und treibt den preis in die höhe. nun kommt spekulant B und sieht dass der preis steigt und macht mit und kauft noch mehr reis auf. das angebot wird noch knapper und der preis noch höher. ABER: relativ rasch kommt der punkt, wo der reis preis so stark aus dem gleichgewicht ist, dass spekulanten C, D, E, F, G und Y realisieren, dass es eine massive profit opportunity gibt, den schliesslich gibt es in 2 monaten wieder die nächste reis-ernte (und er zudem spekulanten A und B ficken kann, diese mongos, was er sowieso super findet) und "shorten reis" massiv und treibt somit den preis wieder runter auf das ursprüngliche niveau (oder etwas tiefer). natürlich ist dies eine starke vereinfachung, aber ich sehe nicht, was grundsätzlich am prozess falsch ist. commodities märkte sind unglaublich liquid und aktiv und es ist imho unrealistisch anzunehmen, dass sich das nicht mehr oder weniger rasch einpendelt.

ich mag die logik, wobei hier natürlich schnell der einwand kommt, dass "colludet" wird... ich mein wir reden hier ja immer von shorten und long gehen und kaufen und verkaufen... aber da ist ja immer einer auf der anderen seite, der das gegenteil macht wie du... was dann die ganze "spekulanten sind evil" problem ad absurdum treibt...

Ich will hier einfach schnell einwenden, dass diese Spekulatengeschichten zwar 100% (ich persönlich glaube, das Spekulanten absolut notwendig sind und viel mehr als jetzt nötig wären, je mehr desto besser in der regel) crap sind, aber die internationalen finanzmärkte sind kein super happy fairness playground, wo faire (im ökonomischen Sinne) Preise immer zu stande kommen.

Es gibt x Probleme in den heuten technischen Ausgestaltungen von Börsen und Märkten, die sehr wohl gewisse Leute benachteiligen, aber die Probleme sind halt viel komplexer und subtiler und eine kombination aus Monopolproblemen, Lobbyproblemen und falsche Regulation. Aber in den meisten Fällen hat es nichts mit Sepkulanten zu tun (es sei den Insiderhandel, aber das ist ja dann das gegenteil von Spekulieren)