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Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Druckversion

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Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 11-17-2012 05:05 PM

YrrsiN schrieb:Das stimmt natürlich. Aber wenn wir die immer grösser werdende Kluft zwischen Arm und Reich betrachten, die auch in den Industrieländern je länger je mehr erkennbar wird, so sieht es danach aus, dass ein Kapitalwachstum in einem kapitalistischen System auch zu einer immer grösseren Kluft führt. Dies macht ja auch Sinn: je mehr Geld man nicht konsumieren muss, sondern auf die Bank legen und Zins kriegt oder anderswo profitabel investieren kann, desto schneller vermehrt sich das Geld ohne es überhaupt selber bedienen zu müssen. Reiche können ihr Geld viel schneller vermehren, ohne dafür arbeiten zu müssen.
1. Ich dachte es gibt immer weniger Investitionsmöglichkeiten?
2. Wenn ich geld auf die bank lege, und einen zins dafür kriege leihe ich es jemandem aus (normalerweise einem, der kein Geld hat). Warum sollte einwilligen, der reichen person einen zins zu zahlen, die die reiche person "immer reicher" macht, und die arme person immer ärmer? Irgendwie geht diese ganze geschichte nicht auf. Geld ist eine Forderung auf zukünftige Güter, die jemand noch produzieren muss. Ich sehe nicht ein, wie jemand einfach "immer reicher und reicher" werden kann, nur weil er schon kapital besitzt, ohne, dass die, die kein kapital besitzen nicht auch irgendwie profitieren.
Für jeden Zins gibt es jemanden, der bereit ist diesen Zins zu zahlen. Es gibt immer eine gegenseite. Wie kann sich geld "einfach immer mehr vermehren", wer ist der depp, der das zulässt auf der gegenseite? (siehe mein Geld thread!)

Ich habe extrem mühe mit solchen feststellungen, weil schlichtweg ein vereinfachtes modell fehlt wie diese mechanismen überhaupt passieren. Ich kann mir einfach keinen weg vorstellen, wie reiche "einfach immer reicher werden" ohne etwas zu tun. Ich hätte dazu gern ein Inselbeispiel, wie ich sie ab und zu mache...

Zitat:Ok vielleicht hab ich von der Börse wirklich noch gar nichts begriffen. Aber ist es nicht so, dass die meisten Gelder auf den Kapitalmärkten hin- und hergeschoben werden als Anlage- und Spekulationsgelder und nur ein kleiner Teil durch den Güterverkehr bedingt ist?
ich hätte gerne eine genaue definition was der unterschied zwischen einer "investition" und "Spekulation" ist. Imo gibt es nämlich keinen.

Zitat:Hinter all den Investitionen steht als oberstes Gebot der kurzfristige Profit. Langfristige, nachhaltige Investitionen haben kaum Platz auf dem Finanzmarkt, auch wenn es eigentlich auch anders gehen würde
kannst du das irgendwie belegen, dass dem so ist? Wenn dem so wäre, müssten durch kurfristige verwerfungen massive profite machbar sein für langfristige investoren (buy low, sell high). Ein grossteil der Investoren ist sehr langfristig orientiert (pensionskassen), und allgemein haben News, die einen langfristigen horizont haben die grössten effekte auf den finanzmarkt.

Zitat:Also ich hab die Grafik so verstanden, dass es nach Huffschmid früher viel mehr Investitionsmöglichkeiten gab als heute (da der Markt in den Industrieländern ziemlich gesättigt ist)
ich frag mich echt wie das sein kann... Wie kann es heute weniger investitionsmöglichkeiten geben? reales GDP ist grösser den je... investition bedeutet ja nichts anderes als "jetzt was machen, damit man morgen etwas davon hat". Warum soll es das heutzutage weniger geben? Wie schon gesagt: kapital ist nichts anderes als ein claim auf zukünftige güter...

Zitat:Soweit ich das verstehe meint er damit, dass das „Kapital“ (hier wohl gemeint als die Interessengruppen, welche über Kapital verfügen) eine grössere Machtposition hat als die Arbeitnehmer. Dies insofern, dass die grossen Unternehmen viel mehr Einfluss in die Politik nehmen können als Gewerkschaften o.ä. Man betrachte nur schon den Irakkrieg, da ging es zum einen um geostrategische Überlegungen aber zum anderen bestimmt auch um die Interessen der Rüstungsfirmen und der Ölbranche in den USA. Imo will er hier unter Anderem die Vernetzung des „big business“ mit der Politik verdeutlichen und auch aufzeigen, dass diejenigen Leute welche viel Geld besitzen auch viel mehr Macht ausüben können (-> Stärke des Kapitals). Oder hab ich das falsch verstanden?

kA ob du es falsch verstanden hast, er definiert es nirgens, und ich komme überhaupt nicht draus was er meint. Klar ich kann mit Geld Leute bestechen. aber meistens steht man auch in konkurrenz, ergo können die gewinne gar nicht zu gross werden. und selbst wenn sie gross werden, profitieren ja unsere pensionssysteme davon. Again: mir fehlt hier das modell, wie am schluss "jemand" mit all dem geld übrigbleibt, wärend die anderen für sie knechten und nicht profitieren. Smile

Zitat:Aber ich teile seine Einschätzung, dass sich das Kapital je länger je mehr zu denen strebt, die schon viel besitzen
nun ich behaupte eigentlich das gegenteil. Reiche leute werden tendentiell ärmer und nicht noch reicher... spätestens ihre kinder oder kindeskinder habens wieder weg.

Zitat:Eine andere Frage bezüglich des freien Marktes: nehmen wir an auf der ganzen Welt gäbe es dieses Ideal tatsächlich, gibt es dann auch keine Ausbeutung mehr? Keine Kinderarbeit o.ä? Und falls doch, was müsste man dagegen machen? Wären auch da Regulierungen fehl am Platz? Oder anderst gefragt: sind in einem freien Markt Arbeitnehmergesetze auch noch nötig? Falls ja, ab wann sind sie dann schädlich für den Markt und wer bestimmt dies? Falls nein, weshalb nicht?

freier Markt <> "keine regeln" oder "super happy land". freier markt = leute sind frei darüber zu entscheiden, für wen sie arbeiten wollen, wen sie einstellen wollen, und zu welchem preis sie güter kaufen und verkaufen wollen. Normalerweise ist das resultat davon um ein vielfaches besser als wenn man versucht alles zu lenken. Das resultat ist deswegen noch lange nicht "gut" oder "schön" oder "alle sind happy"


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - tron - 11-18-2012 02:49 AM

finds auch spannender thread, kucke alle mal tage wieder rein und lese das zeugs nach, aber zuu lazy zum mitdiskutieren Smile

bzgl. einkommensverteilung und "kluft wird immer grösser": hat jemand saubere infos dazu? kurzes googlen nach gini-koeffizienz entwicklung hat nix wirklich tolles gebracht. <!-- m --><a class="postlink" href="http://data.worldbank.org/indicator/SI.POV.GINI">http://data.worldbank.org/indicator/SI.POV.GINI</a><!-- m --> weisst tendenziell auf leicht sinkende werte hin (sprich die kluft wird kleiner), aber seeehr dünne datenlage und kA ob datenerhebung gleich ist usw...
bruder meinte letzthin, "rockefellers einkommen war anscheinend mal ~1% der US economy" (nehme tendenziell an, dass er "vermögen" meinte, aber kA, hab eh keine quelle und kA obs stimmt). aber bin wirklich nicht sicher, ob einkommensverteilung tatsächlich zunimmt oder nicht...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Gini_Coefficient_World_CIA_Report_2009-1.png">http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... 2009-1.png</a><!-- m --> <--- "freier markt" scheint imho tendenziell positiv mit tiefem gini-koeffizient zu korrelieren (obv korrelation != kausalität, aber sag ja nur).


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 11-18-2012 10:58 AM

tron schrieb:finds auch spannender thread, kucke alle mal tage wieder rein und lese das zeugs nach, aber zuu lazy zum mitdiskutieren Smile

bzgl. einkommensverteilung und "kluft wird immer grösser": hat jemand saubere infos dazu? kurzes googlen nach gini-koeffizienz entwicklung hat nix wirklich tolles gebracht. <!-- m --><a class="postlink" href="http://data.worldbank.org/indicator/SI.POV.GINI">http://data.worldbank.org/indicator/SI.POV.GINI</a><!-- m --> weisst tendenziell auf leicht sinkende werte hin (sprich die kluft wird kleiner), aber seeehr dünne datenlage und kA ob datenerhebung gleich ist usw...
bruder meinte letzthin, "rockefellers einkommen war anscheinend mal ~1% der US economy" (nehme tendenziell an, dass er "vermögen" meinte, aber kA, hab eh keine quelle und kA obs stimmt). aber bin wirklich nicht sicher, ob einkommensverteilung tatsächlich zunimmt oder nicht...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Gini_Coefficient_World_CIA_Report_2009-1.png">http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... 2009-1.png</a><!-- m --> <--- "freier markt" scheint imho tendenziell positiv mit tiefem gini-koeffizient zu korrelieren (obv korrelation != kausalität, aber sag ja nur).

Kenne die Datenlage auch nicht genau und es ist auch schwer zu messen, aber dieses angeblich extreme ansteigen der ungleichheit ist imo nicht wirklich zu rechtfertigen. Oft verwendet man zahlen, die imo nicht sehr aussagekräftig sind (top 1% vs bottom 10%) oder dann sogar auf anektodischer basis beruhen. Aber dieses phänomen ist imo auch nicht wirklich neu, sondern zieht sich zumindest in Europa durch das ganze letzte jahrhundert... das ärmere menschen das gefühl haben sie werden "benachteiligt" und "abgezockt" gegenüber den grossen. Man sollte obv. Wahrnehmungen von Menschen ernst nehmen, aber man sollte auch klar festhalten: Wahrnehmungen sind nicht die Realität. (Man siehe z.B. <!-- m --><a class="postlink" href="http://econlog.econlib.org/archives/2012/11/what_makes_peop.html">http://econlog.econlib.org/archives/201 ... _peop.html</a><!-- m -->, leute schätzen die inflation gerne mal noch doppelt so hoch wie sie ist).


Aber: selbst wenn solche effekte wirklich stattfinden, ist doch die grosse frage warum sie stattfinden, und wie man sie revidieren kann

@krugman: krugman ist ein sehr gefährlicher mensch... er ist extrem klug, und kann deswegen gut argumentieren. Er ist aber leider überhaupt nicht objektiv, man sieht es z.B. darin dass er erst die "unfundiertheit" gewisser studien beklagt, aber gleichzeitig auf seite 4-6 sehr anekdotisch argumentiert, ohne irgendeine fundierung. Ich lese Krugmans blog, hab aber extra 3-4 blogs anderer Ökonomen noch abonniert, deren Hobby es ist Krugmans Dinge richtigstellen, bzw. die Gegenseite zu beleuchten.

Krugman unterschlägt immer die "guten" argumente, die gegen seine Thesen sprechen (und die gibt es immer!) und listet alle guten argumente auf, die für seine Thesen sprechen (er ist ja auch öffentlich der meinung, man müsse nie Argumente hören von leuten, die anderer Meinung sind als er selbst). Krugmans Artikel beschreibt hier relativ plausibel eine historie von Amerika, die imo so extrem nicht stattgefunden hat (verklärung der nachkriegszeit etc. etc.) und zudem das ungerechtfertige verwerfen von theorien, warum diese effekte "natürlich" auftreten...


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 11-29-2012 06:11 PM

zgl Vermögensungleichheit:
Siehe Paxis Argumente und meinen Link den ich zur Vermögensverteilung angegeben hab. Ist daraus nicht klar ersichtlich dass es eine grössere Ungleichheit gibt. Wäre aber schön wenn wir das noch rausfinden könnten.

Bzgl Umverteilung:
Der Markt führt natürlich nicht zu eine Umverteilung in der Regel (zumindest nicht so wie man sich das vorstellt). Umverteilung ist ein in der politökonomischen Theorie ein Grund wieso es Staaten gibt. Dabei wird aber in der realen Welt in Staaten die viel Umverteilen (z.B. Frankreich), der grösste Teil an das oberste dezil verteilt! (Siehe Public Choice III von Mueller) Umverteilung muss aus ökonomischer Sicht nicht schlecht sein, sie kann sogar Pareto optimal erfolgen. Dass sehen wir auch in den USA wo viel mehr freiwillig gespendet wird als in Europäischen Ländern (Quelle irgendein Econblog). Aus ökonomischer Sicht ist das eine effiziente Art umzuverteilen, man kann sich natürlich auch im politischen Prozess darauf einigen, wenn dieser gut gestaltet ist (ungleich Frankreich).

Bzgl Spekulation:
Es gibt halt keine Definition des Begriffes „Spekulation“. Und es stimmt dass es mehr Finanzmittel gibt im Verhältnis zur realen Produktion, was zu grösseren Schocks führen kann. Aber die Frage ist 1) Wie man das Problem lösen kann und 2) wie mans besser macht. Zu den Argumenten bzgl Langfristigkeit siehe Paxi.

Bzgl Versicherung:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://wwz.unibas.ch/fileadmin/wwz/redaktion/Forum/WWZMedien/Carte_Blanche/02_WWZ_Corner_Sheldon_02_10_12.pdf">http://wwz.unibas.ch/fileadmin/wwz/reda ... _10_12.pdf</a><!-- m -->
Gibt natürlich dann theoretische Gegenargumente gegen Einheitskasse.

Bzgl Politischer Einfluss
Ich glaube die Gewerkschaften haben in vielen europäischen Ländern massiven Einfluss.
Ich fände es gut wenn grundsätzlich Parteien- und Verbandsfinanzierungen offengelegt würden. Zudem nehmen viele Firmen massiven Einfluss auf Komissioentscheide, weil Komissionen auf dieses „Wissen“ angewiesen sind. Ich frage mich wieso man nicht mehr Wissenschaftler für diese Beratung verwendet.

Bzgl Einlagesicherung
Du hast mich glaubs falsch verstanden. Generell sind Menschen eher risikoavers. Aber die staatliche Einlagesicherung garantiert ja eben deine Einlage bis 100k, also werden die Menschen zumindest 100k auf den risikoreichsten Banken deponieren und den Rest gemäss ihren Risikopräferenzen. Hätten wir die Einlagesicherung nicht, würden weniger risikoreichere Banken rel. profitieren (im Moment werden die risikoreicheren subventioniert).

Bzgl. Öffentlicher Güter
Alle Bereiche die du genannt hast können privat funktionieren (uU sogar besser). Gibt keine Argumente aus ökonomischer Sicht und bei entsprechender Implementierung auch aus moralischer Sicht wieso dies nicht der Fall sein KANN. (Solange der Staat den Aufbau des Wassernetzes bereitstellt.)

Ich mein die Dinge die du genannt hast sind per Definition eigentlich keine öffentlichen Güter, da man Menschen davon ausschliessen kann und sie zum Teil rivalisierend im Konsum sind. Bildung könnte zu grossen Teilen problemlos privat organisiert werden, die intelligenten Kinder erhielten dann Stipendien. Ich bin nicht per se für eine solche Regelung, ich finde man kann solche Lösungen aber nicht einfach abwinken.

Ein klassisches Beispiel ist hier die Subvention der Studierenden. Der durchschnittliche Student hat Eltern mit (weit) überdurchschnittlichem Einkommen. Das heisst wir verteilen im Endeffekt in die „falsche Richtung“ um. Bzgl. Fairness könnte man sich fragen wieso ein Metzger für seine Meister Ausbildung nicht/wenig subventionierte 50k bezahlen muss? Meine persönliche Meinung ist dass die Studiengebühren massiv zu tief sind.

Bzgl. Lebensmittelanbietern
Es gibt oftmals steigende Skalenerträge, das heisst Firmen können in diesem Falle auch in einer Marktwirtschaft gross werden. Allerdings gibt es mehrere Lebensmittelmultis und diese konkurrieren auch ziemlich stark miteinander. Im Endeffekt werden die Produkte günstiger angeboten als bei nur kleinen Anbietern (da Herstellung in grösserem Massstab) andererseit günstiger als wenn die Firmen noch grösser wären (abnehmende Skalenerträge aufgrund steigender Transaktionskosten). Daher ist die Formulierung die gewählt wurde irreführend, trifft aber zweifellos wohl in einem gewissen Mass zu (vor allem bei monopolistischen Strukturen).

Bzgl Ausbeutung etc
Wenn du Besitzrechte und sonstige grundlegende Recht einführst und diese eingehalten werden müssen (Ideal) dann wird es keine Ausbeutung in dem Sinne geben, dass sich jemand schlechter stellt im Vergleich zu vor der Einführung der freien Märkte. Kinderarbeit wird sich verringern wenn die Opportunitätskosten für Kinder höher werden (Bildung ist mehr wert, Eltern verdienen besser), was durch einen freien Markt wohl der Fall wäre (vor allem in entsprechenen Ländern, die heutzutage extrem schlechte Institutionen haben, siehe eines der meistzitierten Econ Papers <!-- m --><a class="postlink" href="http://economics.mit.edu/files/4123">http://economics.mit.edu/files/4123</a><!-- m -->).
Kinderarbeit per se zu verbieten muss im Übrigen für die Familien und die Kinder überhaupt nicht von Vorteil sein (auch wenn wir uns das natürlich wünschen). Arbeitnehmergesetze wären im freien Markt einfach Besitzrechte. Falls es einen Staat gibt können die Regeln gemäss Präferenzen im politischen Prozess festgelegt werden (muss aber nicht optimal sein). Sind aber natürlich sehr schwierige Frage und das ist imo der Hauptpunkt (Mindestlöhne sind zb eher schlecht, Ferienregelungen müssen nicht gut sein etc).<br /><br />-- Beitrag erweitert: 29.11.2012, 17:11 -- <br /><br />@Tron
Hab mir erst jetzt die Grafik angeschaut aber ist ja sick!


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - h4Zl - 11-30-2012 06:11 PM

h4Zl schrieb:2. Beruht dieser Wohlstand auf dem Leid anderer?

Hier ein Beispiel dass evtl. doch etwas an der Ausbeute dran ist?
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.hr-online.de/website/fernsehen/sendungen/index.jsp?rubrik=73573&key=standard_document_44409971">http://www.hr-online.de/website/fernseh ... t_44409971</a><!-- m -->

Offensichtlich hat unser Konsumverhalten doch negative Auswirkungen auf Drittweltländer?


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 11-30-2012 07:26 PM

Imo ist das ein Beispiel dafür dass das Konsumverhalten der dritten Welt "negative" Auswirkungen auf die dritte Welt hat. Wieso? Weil die Menschen dort entscheiden ob sie das Geflügel kaufen oder nicht. Sie könnten es von ihrem lokalen Bauern kaufen, machen es aber nicht weils günstiger ist das andere zu kaufen. Dabei kommt es zu strukturellen Veränderungen wie sie üblich sind und wogegen sich jeder Sektor der davon betroffen ist sträubt. Es findet Umverteilung von Produzenten im eigenen Land (Bauern) zu den Konsumenten im eigenen Land statt. Der Nettoeffekt ist, wenn man die Wohlfahrtsverluste der Bauern und die Wohlfahrstgewinne der Konsumente vergleicht, afaik positiv. Das heisst, insgesamt profitiert die Gesellschaft davon. Ich weiss das tönt jetzt sehr zynisch, aber das Beispiel ist (abgesehen davon dass anscheinend viele Konsumenten schlecht informiert sind und deshalb erkranken) exemplarisch für viele Branchen welche grösserem Wettbewerb ausgesetzt werden. Allerdings gibts hier nen Kritikpunkt und kann nicht abschätzen wie stark der eine Rolle spielt: Konsumenten sind nur beschränkt informiert, vor allem wohl in solchen Ländern.

"In Ghana ging der Verkauf weiter. Das Land kann und will offenbar nicht gegen die Regeln des freien Welthandels zu verstoßen, weil sonst schnell finanzielle Unterstützungen und Kredite von reichen Geberländern auf dem Spiel stehen."
Das ist ein Instutionenproblem falls die Bürger die Präferenzen hätten die Hühnchen nicht mehr zu importieren und ein Konsumentenfail in dem Sinne, dass die Menschen die Hühnchen immer noch kaufen. Das ist ja auch das "Hauptproblem" dabei. Wie man da jetzt internationale Politik als Grund reinnehmen kann erschliesst sich mir nicht. Offensichtlich hat eine solche politische Situation auch nichts mit freien Märkten zu tun wenn Anreize so verändert werden dass Gahnaher das Hünchen kaufen obwohl sie es in einem freien Markt Setting nicht machen würden.

Zum Schluss gibts nochmals das Argument der Autarkie, das wie hier bereits besprochen, völlig am Ziel vorbeischiesst und Armut fördert. Genau dass diese Strukturen so fragil sind (Kleinbauern), sollte doch den Organisationen die gerne die dritte Welt unterstützen wollen zu denken geben.

Imo sollte man aus diesem Artikel die Lehre ziehen dass 1) Handelsbarrieren gegenüber der dritten Welt abgebaut werden sollten, 2) Strukturerhaltende Massnahmen wohl in der Langen Frist zum scheitern verurteilt sind (Wieso sind Kleinbauern gut? Wieso sollten nicht mehr Leute eine Schule besuchen? Wieso sollt es keine grossen Landwirtschaftsbetriebe geben die viel effizienter Hunger bekämpfen können? etc.)

Nur um es klarzustellen: Es ist schrecklich wie Menschen in diesen Ländern oftmals um ihr überleben kämpfen. Und ich bin der Meinung man sollte so viel wie möglich dagegen tun das Menschen in solchen Verhältnissen leben. Ich finde die aktuelle globale Vermögensverteilung alles andere als fair. Ich bin aber der Meinung dass man sich dem Thema objektiver und mit wissenschaftlich fundierter Methodik nähern soll, vorzugsweise sollten dabei Ökonomen mitreden können, da sie relativ besser sind als andere Wissenschaftler wenn es um Entwicklung und Wachstum geht.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Märchy - 12-03-2012 09:32 AM

Was sagt ihr eigentlich so zu den Geschäftspraktiken von Glencore, XStrata und dergleichen? Ich meine damit z.B.:

Hohe Beamte schmieren, um an Schürfrechte zu kommen. Zu einem viel niedrigeren Preis als sie eigentlich wert wären. Die, die profitieren, sind obv. diese Beamten und die Abbaufirma und nicht das Volk, sprich der Staat.

Kam drum gestern auf DRS3 eine Sendung zu dem Thema. Habe sie nur teilweise gehört, werde mir sie heute wohl noch in voller Länge anhören, da eine der "bösen" Firmen direkt in meiner Nachbarschaft sitzt (Glencore) und ich auch ein paar Leute kenne, die dort arbeiten.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-03-2012 01:17 PM

Korruption ist ökonomisch gesehen ineffizient und sollte durch entsprechende Gestaltung von Institutionen verhindert werden. Ist halt ne Frage des Designs einer Institution, welches in vielen Drittweltländern schlechter ist als in entwickelten Ländern.

Aber grundsätzlich sollte man, wenn man das Problem lösen will, davon Abstand nehmen einer Firma oder den Beamten die Schuld zu geben. Viel mehr muss man den Institutionen dieser Länder die Schuld geben welche solches Verhalten durch Selektion schlechter Beamten und durch diskretionären Spielraum nach der Selektion zulassen. Also muss man dort ansetzen wenn man etwas verändern will.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Märchy - 12-03-2012 01:33 PM

armi94 schrieb:Korruption ist ökonomisch gesehen ineffizient und sollte durch entsprechende Gestaltung von Institutionen verhindert werden. Ist halt ne Frage des Designs einer Institution, welches in vielen Drittweltländern schlechter ist als in entwickelten Ländern.

Aber grundsätzlich sollte man, wenn man das Problem lösen will, davon Abstand nehmen einer Firma oder den Beamten die Schuld zu geben. Viel mehr muss man den Institutionen dieser Länder die Schuld geben welche solches Verhalten durch Selektion schlechter Beamten und durch diskretionären Spielraum nach der Selektion zulassen. Also muss man dort ansetzen wenn man etwas verändern will.

Trifft deiner Meinung die Firma überhaupt keine Schuld? Ist ja nicht so, als hätten sie keine Wahl... (mal ganz abgesehen davon, dass es illegal ist).

Bei der ganzen Diskussion spüre ich einfach irgendwie nie die Meinung, dass alle Beteiligten eine gewisse Verantwortung haben. Oder ist es einfach völlig realitätsfremd, von grossen Firmen so was wie Verantwortungsbewusstsein oder soziales Engagement zu erwarten? Klar, es ist in dem Sinn nicht ihr Job. Aber es ist auch nicht mein Job (oder der Millionen anderer), zu spenden, aber wir machen es trotzdem.

*edit: Mir ist klar, dass man den Hebel woanders ansetzen muss, wenn man die Zustände ändern will. Aber das macht die Beteiligten (in dem Fall die Abbaufirmen und die korrupten Beamten) ja nicht immun gegen Kritik und rechtfertigt ihr Handeln, IMO.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-03-2012 01:54 PM

Wenn wir annehmen das Menschen nur auf Anreize reagieren und alle die gleichen Präferenzen haben trifft die Firmen natürlich keine Schuld. Wenn man heterogene Präferenzen unterstellt welche Menschen nicht selbst wählen können (oder nicht so bewusst), dann kann man zwar sagen dass diese Firma, resp. die Menschen die dort arbeiten "schlechte" Präferenzen haben. Schuld kann man aber nur zuweisen wenn Menschen heterogen sind und freiwillig ihre Präferenzen wählen. Läuft darauf hinaus ob du Menschen einen freien Willen unterstellst.

Ich bin dafür dass man solche Menschen und Firmen gesellschaftlich sanktioniert, weil dies dann einen Anreiz gibt für die Firmen sich Normenkonform zu verhalten, aber wie du richtig sagst ist eben kein umfassender Lösungsansatz.

btw: Was eine Firma tun "soll" zur Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt ist gesetzestreu ihre Gewinne zu maximieren (zumindest aus ökonomischer Sicht). Gewinnmaximierung kann natürlich soziales Handeln einschliessen (beobachten wir ja auch) um mehr Kunden zu gewinnen/halten etc.