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Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Druckversion

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Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 09-30-2012 05:28 PM

Paxinor schrieb:Deine Aussagen sind imo einfach ökonomisch nicht korrekt.
Wahrscheinlich hast Du strenggenommen recht. Aber wenn ich mich nicht arg täusche, ist es nicht im Sinne von OP, dieses heftig umstrittene Thema nur auf die ökonomische Dimension zu reduzieren.

Paxinor schrieb:Wir leben NICHT auf Kosten der geknechteten arbeitern in China... du schreibst ja selber, dass sich das BIP erhöht von china... wie können wir dann auf deren Kosten Leben,wenn wir ihr BIP erhöhen? nochmals: wir haben marktpreise für alle Güter... das ist ein Handel und ein Handel kann NICHT ERZWUNGEN werden... wenn ich ein gut von irgendjemanden kaufe, dann ist das eine Transaktion auf gegenseitigem Einverständnis wo es nicht möglich ist, dass der eine vom anderen "über den tisch" gezogen wird, solange es ein offener Markt ist... weil jedes gut hat einen nutzen, und der verkaufende hat immer die option es nicht zu verkaufen!
Doch... tun wir! Das BIP von China steigt zwar, aber es sind nicht die Arbeiter, die das Geld bekommen. Wenn ich sage, wir beuten "China" aus, muss man diese Aussage natürlich differenzierter betrachten. Die korrupten Eliten scheffeln schön, während die armen Arbeiter verheizt werden. True story.
Sind wir dafür verantwortlich? Nun ja, darüber lässt sich streiten. Imho machen wir uns zumindest der Mittäterschaft schuldig.

Zum offenen Markt: Wenn Dir jemand eine Pistole an die Schläfe hält und Dich fragt, Geld oder Leben? Würdest Du das als freie Wahl bezeichnen? Rein ökonomisch gesehen wahrscheinlich schon. Aber nicht im Ernst, oder? Dieses bildliche und zugespitzte Beispiel kommt der ökonomischen und sozialen Realität vieler Ausgebeuteter sehr nahe. Von einer echten freien Wahl kann wirklich überhaupt keine Rede sein.

Die rein ökonomische Sichtweise greift in der Realität zu kurz. Du kannst nicht einfach alles auf Angebot und Nachfrage reduzieren und davon ausgehen, dass damit automatisch ein (moralisch) fairer Preis zustande kommt.

Ein weiteres Problem des freien, völlig unregulierten Markts: Die negativen Externalitäten. Viele TNCs beuten nicht nur die Einheimische aus, nein, sie zerstören und verseuchen auch noch die Umwelt. Den Nutzen tragen ausschliesslich die TNCs, die Kosten übernehmen vollumfänglich die Einheimischen. Negative Externalitäten sind eigentlich der Hauptgrund, warum die vielbeschworene "Unsichtbare Hand" des freien Marktes von Adam Smith völlig an der Realität vorbeigeht. Das mag im kleinen Rahmen noch funktionieren, in der globalisierten Welt klappt das definitiv nicht mehr. Es ist mir völlig unverständlich, dass sich diese fundamentale Einsicht noch nicht längst durchgesetzt hat (looking @ you Romney & Ryan).

Also nochmal: Wir beuten nicht "China" oder "Afrika" aus, wohl aber die Ärmsten und Benachteiligsten in diesen Ländern. Wir tun dies zwar selten direkt, d.h. wir sind nicht die Vorarbeiter, die die Arbeiter wie den letzten Dreck behandeln, aber wir tragen als Endverbraucher dennoch einen Teil der Verantwortung.

DeusDeorum schrieb:Spannendes Thema, spannende Posts. Stimme Pax eigentlich zu, Wirtschaft definiert seit über hundert Jahren numal, wer recht hat und wer nicht. Moral+ Co sind doch schwache Versuche, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, allerdings letztlich nicht stringent, da diese Begriffe a) subjektiv und b) auch nur darauf ausgerichtet sind, selber zu wachsen.
Starke statements, Deus. Ob das so ist oder nicht, will und kann ich überhaupt nicht beurteilen. Mir scheint es jedoch oft so, dass der moralische Relativismus vieler Zeitgenossen eine bequeme Methode ist, um unbequeme Fragen und Tatsachen zu ignorieren.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 09-30-2012 07:32 PM

M.P.Rator schrieb:Doch... tun wir! Das BIP von China steigt zwar, aber es sind nicht die Arbeiter, die das Geld bekommen. Wenn ich sage, wir beuten "China" aus, muss man diese Aussage natürlich differenzierter betrachten. Die korrupten Eliten scheffeln schön, während die armen Arbeiter verheizt werden. True story.
Sind wir dafür verantwortlich? Nun ja, darüber lässt sich streiten. Imho machen wir uns zumindest der Mittäterschaft schuldig.

naja also wenn man die steigende lebensqualität in China anschaut, ist das einfach nur die dunkle seite der medaille. Und ja obv. werden leute verheizt... und obv. kann man versuchen ein wenig gegensteuern, was SICHER NICHT heisst, das wir auf kosten dieser arbeiter leben. Die korrupte elite lebt auf kosten dieser arbeiter und zwar auch im ökonomischen sinn... Also entweder marschieren wir ami style dort ein und versuchen demokratie zu erzwingen, machen irgendwelche "embargos" was es noch einfacher macht für die korrupte elite auf den Arbeitern rumzutrampeln (wir können uns dafür auf die schulter klopfen, wie moralisch korrekt wir sind... NOT)

Aber in deinem beispiel ist der Fall ganz klar: die korrupte elite lebt auf kosten der Arbieter... und nicht wir auf kosten des ganzen landes... Nun kommen wir von diesem ganzen pathos zeugs in die realität und müssen uns fragen wie wir etwas dagegen tun können, weil es obv. allen gedient wäre, wenn die situation in diesen Ländern wirtschaftsfreundlicher wären (weil rumtramplerei stört nur den output und die effizienz). Und dann wirds eben schon höllisch kompliziert... Darum bin ich sowas von dagegen diese floskeln in die weltgeschichte herauszuposaunen, und zeugs zu wünschen, im stil von "würden wir westler doch nur fairer sein"... dabei daran scheiterts zuletzt.

Zitat:Zum offenen Markt: Wenn Dir jemand eine Pistole an die Schläfe hält und Dich fragt, Geld oder Leben? Würdest Du das als freie Wahl bezeichnen? Rein ökonomisch gesehen wahrscheinlich schon.

ganz klar keine freie wahl auch ökonomisch geshen... ein gütertausch ist etwas freiwilliges, sowas nicht...

Zitat:Die rein ökonomische Sichtweise greift in der Realität zu kurz. Du kannst nicht einfach alles auf Angebot und Nachfrage reduzieren und davon ausgehen, dass damit automatisch ein (moralisch) fairer Preis zustande kommt.
ein moralisch fairer preis? wtf ist denn das? sowas gibt es nicht... ein Preis eines Gutes ist ein mass das festlegt wie wertvoll dieses gut relativ zu anderen gütern ist... nicht mehr und nicht weniger... ich würd mir auch wünschen allen geht es gut auf dieser welt, aber das hindert mich nicht daran darauf hinzuweisen wie die realität ist: nämlich nicht so...

Es ist leider ein ziemlich unglückliches Naturgesetz, dass jemand dir nur ein beliebiges Gut im tausch gegen ein anderes beliebiges Gut gibt. Und da kann man noch so lange rumdiskutieren was fair ist etc. das ist doch geschwafel. Am ende des tages muss das ziel sein, dass jeder so viele Güter produziert, dass er gut davon leben kann, und sie ihm eben nicht weggenommen werden... Also muss man schauen, dass korrupte Leute nicht Güter von arbeitern wegnehmen... etc. Dazu gehört demokratie, property rights, eine unabhängige, faire justiz, keine korruption, law enforcement.

Dazu gehört NICHT irgenjemandem vorzuschreiben was für ein preis er ansetzen darf für ein beliebiges gut etc.

Zitat:Ein weiteres Problem des freien, völlig unregulierten Markts: Die negativen Externalitäten. Viele TNCs beuten nicht nur die Einheimische aus, nein, sie zerstören und verseuchen auch noch die Umwelt. Den Nutzen tragen ausschliesslich die TNCs, die Kosten übernehmen vollumfänglich die Einheimischen. Negative Externalitäten sind eigentlich der Hauptgrund, warum die vielbeschworene "Unsichtbare Hand" des freien Marktes von Adam Smith völlig an der Realität vorbeigeht.
hast du jemals diesen text mit der unsichtbaren hand gelesen? Ökonomen geht seit tag 1 davon aus, dass es an den menschen liegt, voraussetzungen zu schaffen, dass Ökonomie funktioniert. Stichwort Property rights, Persönlichkeitsrechte, nachhaltigkeit etc. Ich muss dir hier leider wirklich unterstellen, das du eine sehr verzerrte wahrnehmung davon hast, was ökonomen unter "freien märkten" verstehen. (btw. die meisten ökonomischen gesetze gelten auch in nicht freien märkten)
Zitat:Also nochmal: Wir beuten nicht "China" oder "Afrika" aus, wohl aber die Ärmsten und Benachteiligsten in diesen Ländern. Wir tun dies zwar selten direkt, d.h. wir sind nicht die Vorarbeiter, die die Arbeiter wie den letzten Dreck behandeln, aber wir tragen als Endverbraucher dennoch einen Teil der Verantwortung.
was heisst ich trag die mitverantwortung? das würde ja bedeuten ich (bzw. wir als land) könnte was ändern. abgesehen von einfach meinen wohlstand in die 3.te welt zu transferieren. Aber ich weigere mich es so zu sehen, dass wenn es uns nicht gäbe, es irgendwem dort unten besser gehen würde... also wie sehr kann ich schon verantwortlich sein? Ich mein mit dem Argument müssen wir unsere Armeen mobilisieren, dort einmarschieren und dafür sorgen, dass die anständige und faire Gesetze einführen...


Zitat:Starke statements, Deus. Ob das so ist oder nicht, will und kann ich überhaupt nicht beurteilen. Mir scheint es jedoch oft so, dass der moralische Relativismus vieler Zeitgenossen eine bequeme Methode ist, um unbequeme Fragen und Tatsachen zu ignorieren.
lol sorry aber das ist doch jetzt einfach eine leere floskel? Imo ist das einzige bequeme, einfach irgend eine schreiende ungerechtigkeit anzuprangern, aber keine bzw. kontrakproduktive vorschläge zu bringen, wie man das problem verbessern soll. Was soll ich denn tun? fairtrade produkte kaufen? einfach 20% meines vermögens da runterschicken? sollte das die Lösung sein? Sprich einfach dafür sorgen, dass die auf kosten von uns leben? Oder den glencore sagen "hey ihr dürft imfall nicht mehr gemeine sachen machen da unten? 1:12 initative annehmen? Oder sollten wir da einmarschieren, und die korrupte Regierung entmachten?

Wir alle wissen das es unfair ist. Aber die frage war: sind wir schuld? irgendwie seh ich nicht wie wir daran schuld sind, abgesehen davon, dass wir nicht so grosszügig sind, einfach einen grossteil unseres wohlstandes irgendjemandem zu schenken...


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 10-01-2012 10:01 AM

Gut, wir sind uns also soweit einig, dass viele Arbeiter in China und Afrika ausgebeutet werden, und zwar von lokalen Menschenschindern. Weniger einig sind wir uns darüber, ob wir an diesen Zuständen eine Mitschuld tragen oder nicht. Meiner Meinung nach schon, aber natürlich ist es schwierig bis unmöglich, diese zu quantifizieren. Jedenfalls unterstützen wir direkt oder indirekt die Assis vor Ort bzw. die Zwischenhändler und -firmen, die 0 fucks darauf geben.

Niemand redet von Sanktionen, Embargos oder Einmarschieren, um diese Zustände zu ändern. Nützliche Instrumente existieren bereits, zB Fairtrade. Oder aber man beschliesst international gültige Mindeststandards zB im Rahmen der UNO, was natürlich sehr sehr unwahrscheinlich ist. Bzw. hat die ILO schon Standards definiert (iirc), die aber natürlich nicht von der ILO enforced werden können. Mit Mindeststandards meine ich NICHT einen Mindestpreis für bestimmte Güter. Ich meine damit, dass Arbeiter ein menschenwürdiges Leben leben können. Das beinhaltet zB eine Obergrenze für die Arbeitszeit pro Tag, Atemschutze für Minenarbeiter, Schutzbekleidung für Gerber, Schutz vor giftigen oder gefährlichen Substanzen und Umgebungen ganz allgemein, eine zumutbare Unterkunft falls die Arbeiter auf dem Gelände übernachten, zumutbare sanitäre Anlagen, Schutz vor Krankheiten und Infektionen, eine Unfallversicherung, Abschaffung von Sippenhaft und Erbschuld, Bezahlung in GELD und nicht in betriebseigenen Bons,.... die Liste ist noch ausbaubar. Sind eigentlich alles Selbstverständlichkeiten, sollte man meinen. Entspricht aber leider längst nicht überall der Realität.

Wenn sich Menschen freiwillig in Arbeitsverhältnisse begeben, die die meisten genannten Punkte nicht erfüllen, kommt imho das Pistole-an-Schläfe-Beispiel der Situation sehr nahe. Wir als Endverbraucher tragen eine gewisse, ungenau definierbare Mitverantwortung an den Zuständen, da wir von den künstlich niedrigen Preisen profitieren, die nur möglich sind, weil die lokale Bevölkerung ausgebeutet wird.

Ein "moralisch fairer Preis" ist dann ziemlich genau das, was Fairtrade bereits vormacht. Ist mir schon klar, dass der Begriff ökonomisch keinen Sinn macht. Aber es ist doch eigentlich trotzdem nicht schwer zu verstehen, was damit gemeint ist. Demokratie und Rechtsstaat wären natürlich auch schön, sind aber zur Ausübung von Fairtrade gar nicht zwingend nötig.

Paxinor schrieb:hast du jemals diesen text mit der unsichtbaren hand gelesen? Ökonomen geht seit tag 1 davon aus, dass es an den menschen liegt, voraussetzungen zu schaffen, dass Ökonomie funktioniert. Stichwort Property rights, Persönlichkeitsrechte, nachhaltigkeit etc. Ich muss dir hier leider wirklich unterstellen, das du eine sehr verzerrte wahrnehmung davon hast, was ökonomen unter "freien märkten" verstehen. (btw. die meisten ökonomischen gesetze gelten auch in nicht freien märkten)
Nope, ich habe das Original nie gelesen. Kenne dazu nur Sekundärliteratur. Meine Kritik richtet sich dennauch auch nicht gegen Adam Smith selbst, sondern eben gegen die verzerrte Interpretation der Unsichtbaren Hand, die heute noch vielerorts vorherrscht, vorallem bei Frei-Markt-Ideologen jehnseits des Atlantiks. Aber leider auch bei vielen Vertretern von schweizer Unternehmen, denen entweder das Verständnis von der Dynamik der Globalisierung fehlt, oder die bewusst aus Eigeninteresse ihre Sichtweise auf die Schweiz reduzieren.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-01-2012 11:43 AM

Zitat: Nützliche Instrumente existieren bereits, zB Fairtrade.
wie nützlich kann es schon sein, einfach charity da rüberzuschicken? ich mein klar es hilft ein paar leuten, aber das kann unmöglich die lösung sein

Zitat: Oder aber man beschliesst international gültige Mindeststandards zB im Rahmen der UNO, was natürlich sehr sehr unwahrscheinlich ist. Bzw. hat die ILO schon Standards definiert (iirc), die aber natürlich nicht von der ILO enforced werden können. Mit Mindeststandards meine ich NICHT einen Mindestpreis für bestimmte Güter. Ich meine damit, dass Arbeiter ein menschenwürdiges Leben leben können. Das beinhaltet zB eine Obergrenze für die Arbeitszeit pro Tag, Atemschutze für Minenarbeiter, Schutzbekleidung für Gerber, Schutz vor giftigen oder gefährlichen Substanzen und Umgebungen ganz allgemein, eine zumutbare Unterkunft falls die Arbeiter auf dem Gelände übernachten, zumutbare sanitäre Anlagen, Schutz vor Krankheiten und Infektionen, eine Unfallversicherung, Abschaffung von Sippenhaft und Erbschuld, Bezahlung in GELD und nicht in betriebseigenen Bons,.... die Liste ist noch ausbaubar. Sind eigentlich alles Selbstverständlichkeiten, sollte man meinen. Entspricht aber leider längst nicht überall der Realität.

und wie soll das bitte in der praxis gehen? diese Regeln müssen im lokalen Gesetzestext stehen, und kulturell verankert sein, mit einem gut ausgebildeten Rechtsstaat. Ausserdem vermischst du imo Regeln, die der Nachhaltigkeit dienen mit einem Wunschkonzert. Es kann doch kein gesetz geben, "jeder solle ein menschenwürdiges leben führen dürfen"... Das ist doch völlig unrealistisch... Wenn es nicht genug Güter gibt, um das zu ermöglichen, wird es auch nicht passieren. Das ist doch genau so Wunschkonzert denken, dass uns nirgens hinführt und beginnt immer mit dem Satz "es kann doch nicht angehen, dass leute leiden, lass uns das verbieten"... wir machen ein gesetz "niemand darf scheisse behandelt werden". Aber die realität ist anders. Leute werden scheisse behandelt, wenn andere anreize dazu haben, leute scheisse zu behandeln. Das heisst man muss ein umfeld ausbauen, dass diese Anreize minimiert. Und das geht nicht über freiwilligen wohlstandstransfer. Selbst wenn die UNO whatever standards definiert, das wird den Ländern kaum helfen. vielleicht weniger Atemerkrankungen, dafür mehr arbeitslosigkeit etc.

Zitat: da wir von den künstlich niedrigen Preisen profitieren, die nur möglich sind, weil die lokale Bevölkerung ausgebeutet wird.
das ist eine nicht korrekte aussage, die preise sind nicht künstlich, die gewinnmarge geht einfach in die tasche des Knechters...
1. Es ist in den allermeisten fällen eine falschaussage, dass die preise künstlich tief sind.
2. Wenn die preise höher wären, wäre die nachgefragte menge tiefer und die leute hätten salopp gesagt netto genau gleich viel oder wenig... Der preis ist doch völlig irrelevant... es ist PREIS*MENGE!! was bringt es, wenn die bananen doppelt so teuer sind? je nach dem ist das ein absolutes desaster für alle bauern! Preis entsteht durch angebot = nachfrage!!! economics 101. Man kann niemanden forcieren mehr zu bezahlen für eine banane, als er bereit ist dafür zu bezahlen! Sorry aber solche aussagen sind einfach nicht richtig...

Deiner meinung nach müsste man einfach jenste regeln einführen, dass es all den arbeitern gut geht, was die kosten hochtreibt, was das produkt teurer macht. Aber dann kaufen die leute einfach weniger produkte. Wir haben alle nur beschränkte budgets! So funktioniert das nicht. Man muss schauen, dass die PRODUKTIVIÄT steigt und er seine PRODUKTIVIÄT gezahlt bekommt. Also sind es zwei probleme:

1. der Knechter zieht die eh schon tiefe Produktivitätsrente des geknechteten Arbeiters ein, das Problem muss lokal gelöst werden
2. selbst wenn das nicht passieren würde, der Bauer ist je nach dem zu wenig produktiv, und dann hat er so oder so verloren, es sei denn er bekommt Wohlfahrt

Zitat:Ein "moralisch fairer Preis" ist dann ziemlich genau das, was Fairtrade bereits vormacht. Ist mir schon klar, dass der Begriff ökonomisch keinen Sinn macht. Aber es ist doch eigentlich trotzdem nicht schwer zu verstehen, was damit gemeint ist. Demokratie und Rechtsstaat wären natürlich auch schön, sind aber zur Ausübung von Fairtrade gar nicht zwingend nötig.
wie schon gesagt, Fairtrade ist schön und gut, aber es ist nichts anderes als charity... charity kann doch langfristig nicht die Lösung sein, und wird sie auch nicht sein, weil ihr Wirkungsgrad aus mehreren Gründen extrem begrenzt ist... das wird das problem NIE lösen. Weil es darauf beruht, dass eine person freiwillig noch ein geschenk draufpackt, für das er entsprechend keine Leisuntg kriegt

Zitat:sondern eben gegen die verzerrte Interpretation der Unsichtbaren Hand, die heute noch vielerorts vorherrscht, vorallem bei Frei-Markt-Ideologen jehnseits des Atlantiks. Aber leider auch bei vielen Vertretern von schweizer Unternehmen, denen entweder das Verständnis von der Dynamik der Globalisierung fehlt, oder die bewusst aus Eigeninteresse ihre Sichtweise auf die Schweiz reduzieren.
imo hast du wohl eine verzerrtere wahrnehmung der "frei-markt-ideologen" als die von der Adam Smith Geschichte.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - M.P.Rator - 10-01-2012 01:11 PM

Fairtrade ist nicht so nutzlos, wie Du's darstellst. Aber sicherlich ist Fairtrade (und Charity) nicht die letzte Antwort auf das Problem. Die Ungerechtigkeit auf der Welt ist zweifellos eines der umstrittensten und am schwierigsten zu lösenden Probleme überhaupt. Ich bilde mir nicht ein, über irgendwelche Patentrezepte zu verfügen. Aber Tatsache ist: der Konsument im Westen und Norden unterstützt indirekt nicht nur die Ausbeutung der Ärmsten, sondern er zementiert gleichzeitig durch sein Konsumverhalten die Strukturen, die die Ausbeutung der Armen fördern.

Und damit ist zumindest die zweite Frage von OP beantwortet. Was die daraus zu ziehenden Konsequenzen sein sollen, ist eine noch weitaus umstrittenere Frage.

Ich propagiere sicher kein Wunschkonzertdenken. Ich gehöre definitiv nicht zu jenen linken Ideologen, die ein Zehnpunktemenü fordern und dabei verschweigen (oder nicht checken), dass wir uns höchstens fünf dieser zehn Menüpunkte leisten können. Ich definiere die Wunschliste eher als ein Annäherungsziel, das in der Realität wohl nie oder nie überall verwirklicht werden wird. Aber das ist für mich kein Grund, die Ziele von Anfang an zu verwerfen. Die "es-ist-wie-es-ist-Logik" vieler Schwarzmaler, kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde, die machen es sich viel zu einfach, zu bequem.

Wenn ich und Andere behaupten "es darf doch nicht sein, dass..." dann aus der einfachen Überzeugung heraus, dass die herrschenden Zustände nicht bloss ungerecht, sondern verbesserbar sind. Gut möglich, dass, wenn wir die Zustände in ferner Zukunft vielleicht mal optimiert haben, die Welt immernoch "ungerecht" ist. Dann wäre für mich allerdings der Zeitpunkt gekommen, auf die Seite der "Rechten" und "Realisten" zu wechseln, weil ich einsehe, dass mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die "gerechteste" (=/= am gleichmässigsten verteilteste!) Lösung gefunden wurde.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-01-2012 02:36 PM

M.P.Rator schrieb:Fairtrade ist nicht so nutzlos, wie Du's darstellst.
please quote me, wo ich sage es sei "nutzlos"

Zitat: Aber Tatsache ist: der Konsument im Westen und Norden unterstützt indirekt nicht nur die Ausbeutung der Ärmsten, sondern er zementiert gleichzeitig durch sein Konsumverhalten die Strukturen, die die Ausbeutung der Armen fördern.
Das ist keine Tatsache und ich Wiederspreche dieser Aussage mit aller Kraft! Unser Konsumverhalten unterstützt die Ausbeutung der Ärmsten nicht, und es zementiert auch nicht die Ausbeutung der Armen, das ist ein Kausalzusammenhang, der völlig an der Realität vorbei geht. Du behauptest das einfach, ohne einen Ökonomisch sinnvolle hypothese zu liefern, wie dieser mechanismus in der praxis funktionieren würde.

Es ist ein völliger irrglaube zu glauben wir können mit unserem Konsumverhalten (sprich welche Güter wir kaufen) steuern wie gut es den "Ärmsten" geht. Das einzige was man heute auf die schnelle machen könnte, ist eine erhöhte umverteilung des Wohlstandes, sprich Wohlfart/Charity => die Ärmsten leben auf kosten von UNS... ja man könnte die charity quote erhöhen, aber das wollen wir ja nicht, sonst wäre die charity quote höher.

Wie schon gesagt: die Art des Konsums (sprich ob ich ein PC, eine Banane oder whatever kaufe) ist doch völlig unabhängig davon, wie sehr ich bereit bin "charity" zu betreiben, sprich jemandem mehr zu zahlen als ich muss... Das eine ist altruismus, das andere sind konsumentscheidungen aufgrund von präferenzen. Man kann das nicht künstlich vergrössern oder verbessern, jeder mensch wählt freiwillig aufgrund seiner präferenzen wie viel er bereit ist zu spenden.

deine "Tatsache" ist völlig falsch... und es gibt genug evidenz, dass Entwicklungshilfe sich je nach dem äusserst negativ auswirkt auf diese Problematiken.

Zitat: Aber das ist für mich kein Grund, die Ziele von Anfang an zu verwerfen. Die "es-ist-wie-es-ist-Logik" vieler Schwarzmaler, kann ich nicht nachvollziehen.

wer sagt man muss es lassen wie es ist? und wer verwirft irgendwelche ziele? Meine behauptungen ist dass die massnahmen, die du vorschlagen würdest, verpuffte energie sind und am falschen Ort ansetzen... du unterstellst mir implizit dass es mir egal ist, ich finde es ist prima so wie es jetzt ist etc..

aber ich sage: deine Ansichten davon, was die Ursache des Problems ist, und wie es zu lösen sind, sind FALSCH... sie entsprechen nicht den Zusammenhängen in der Realität und man kann nicht ein Problem lösen, wenn man nicht versteht wie die zusammenhänge sind (perfektes beispiel: Regulationsvorschläge von Linken Politikern im Bankensektor). Du behauptest Dinge, die einfach nicht stimmen...

Was du sagst in a nutshell: "Wir müssen einfach nur anders Konsumieren, und viele vorschriften erlassen WIE wir konsumieren, damit die welt fairer wird"

und ich sage: Du vermischst das "wie konsumieren" mit "wieviel von unserer Produktivät schenken wir anderen leuten", sprich die Charity quote... Was und wie wir konsumieren ist völlig irrelevant, und wir unterstützen dadurch per se auch nicht irgendwelche Systeme.

Obv. hilft es irgend nem bauer, wenn du ne Fairtrade Banane kaufst. Aber es ist Charity... das ziel sollte sein, dass sich niemand knechten lässt, weil es outside options plus ein Rechtsystem etc. gibt...

Zitat: sondern verbesserbar sind.
man muss erst den den Prozess und die Ursachen verstehen, bevor man irgendwas verbessern kann... und dazu muss man verstehen wie Angebot und Nachfrage wirken, was Produktvität ist, was Charity ist, und was langfristig das Problem wirklich verbessert.

btw: ich bin nicht gegen charity, und es braucht auch charity, aber es wird das globale Armutsproblem NIE lösen...


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - klitschko - 10-01-2012 03:53 PM

Bei 2. Beruht dieser Wohlstand auf dem Leid anderer? Schliesse ich mich Pax an und möchte dem eigentlich nichts hinzufügen.

Zufällig bin ich zur Zeit in der Materie drin.

Zu 3. Könnten auch andere bzw. alle Länder auf ein gleiches Wohlstandsniveau zur gleichen Zeit kommen?
Man bemerkt empirisch, dass Länder mit tiefen BIP eine höhere Wachstumsrate aufweisen, als jene mit höherem BIP. Grundsätzlich erfolgt aus diesem Grund über die Zeit (es handelt sich um Jahrzehnte) eine Konvergenz des Wohlstands. Tatsächlich ist es so, dass einigen afrikanischen Ländern sowohl ein tiefes BIP, als auch eine tiefe Wachstumsrate aufweisen. Weshalb ist umstritten und nicht endgültig geklärt. Es ist aber nicht richtig ganz Afrika in einem Topf zu stecken. Innerhalb Afrikas gibt es teilweise enorme Wohlstandsunterschiede.

Zu 1. Warum ist der Wohlstand in der Schweiz einiges höher als in Frankreich, Italien, Spanien und co.? Wegen den Banken?
Also man kann vereinfachend sagen, dass grundsätzlich 2 Dinge das Wirtschaftswachstum fördern. Die Akkumulation von Kapital und technologischer Fortschritt. Beides steigert die Produktivität. Die Schweiz ist halt in beiden Kategorien ziemlich macho. Einerseits sind die Schweizer vergleichsweise "sparsam" (haben eine hohe Sparquote), d.h. es wird entsprechend viel investiert/Kapital aufgebaut andererseits haben Bankkundengeheimnis, eigene stabile Währung, politische Stabilität usw. entsprechend viel Kapital angezogen. Technologisch ist die CH halt auch state-of-the-art.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-01-2012 04:24 PM

@klitschko: per zufall grad makro master mit solow growth model? imo vorsicht mit dem wort "kapital", dass umgangssprachlich einfach "geld" bedeutet, aber nicht im ökonomischen sinne...


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - klitschko - 10-01-2012 04:48 PM

Istn ähnlicher kurs aber noch im bachelor Wink

Mit Kapital meine ich natürlich physisches Kapital, Investitions- und Produktionsgüter (Maschinen, Fabriken, Wohnraum etc.). Zimbabwe hat auch viel "Geld" Akkumuliert, aber gebracht hats auch nichts.

Ist halt schon abstrakt das ganze, weiss nicht, wie viel sinn es macht, hier allzuviel ins detail zu gehen.


Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 10-01-2012 10:30 PM

Schliesse mich wie üblich paxi an. Zusaetzlich:
- Produktivitätssteigerungen und dadurch BIP-Wachstum werden aller Evidenz nach in Form von Lohn an Arbeiter weitergegeben (einfach googeln, gibt viiiele auch nichtwissenschaftliche Artikel)
- die in protektionistischen Massnahmen in Europa tragen wohl sehr stark dazu bei dass Wachstumspotential nicht realisiert werden kann (offenere Märkte-> mehr Geld für die Armen da Erosion von Monopolen)
- Zur "Schuldfrage", Kolonialisierung:

[i]-- Beitrag erweitert: 01.10.2012, 20:28 --
- Zur "Schuldfrage", Kolonialisierung: <!-- m --><a class="postlink" href="http://econlog.econlib.org/archives/2012/09/do_indians_righ.html">http://econlog.econlib.org/archives/201 ... _righ.html</a><!-- m -->