Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Druckversion +- raise.ch (http://raise.ch/forum) +-- Forum: Off-Topic (/forumdisplay.php?fid=9) +--- Forum: Allerlei (/forumdisplay.php?fid=34) +--- Thema: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? (/showthread.php?tid=9856) |
Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - YrrsiN - 10-05-2012 11:42 AM ein in meinen augen sehr gutes interview zu der thematik in der letzten nzz am sonntag mit dem geografen und zukunftsforscher andreas walker. <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.weiterdenken.ch/mm/120930_NZZSo_AndreasWalker.pdf">http://www.weiterdenken.ch/mm/120930_NZ ... Walker.pdf</a><!-- m --> Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-05-2012 12:21 PM YrrsiN schrieb:ein in meinen augen sehr gutes interview zu der thematik in der letzten nzz am sonntag mit dem geografen und zukunftsforscher andreas walker. ich mag das interview, im gegensatz zu den meisten zukunftsforschern sonst, weil er relativ realistisch scheint... imo ist die aufgabe der zukunftsforscher hauptsächlich, den menschen verständlich zu machen, dass man nicht wissen kann was passiert in der zukunft Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Adi-San - 10-05-2012 01:12 PM Paxinor schrieb:...die jetzt salopp gesagt nur "rumdüdeln" leisten könnten... N1 ich hab geLOLt Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - YrrsiN - 10-05-2012 01:13 PM Naja zu einem gewissen Grad ist er ja auch relativ, da nach ihm schlussendlich unsere Zukunft von unserem eigenen Willen abhängt und dieser nicht vorhersehbar ist. Ich bin eigentlich auch sehr wissenschaftsgläubig, aber ich muss ihm in diesem Punkt einfach recht geben, dass wir doch niemals genaue Zahlen vorhersagen können (vor allem noch auf Nachkommastellen, lol?) sondern diese auch extrem von unserem Werte- und Normenverständnis abhängen (siehe shifting baselines), welche sich in den nächsten Jahrzehnten bestimmt noch verändern werden. Das Problem das du vorher angesprochen hast, hat viel mit dem sogenannten "green growth" zu tun. In meinen Augen können wir leider nicht mehr sagen "Die Entwicklungsländern dürfen dieselben Ressourcen verschleissen um in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vorwärts zu kommen wie die Industrieländer "damals", ansonsten hätten wir definitiv ein Problem. Das "grow first, clean up later"-Prinzip auf alle Entwicklungsländer angewandt würde unseren Planeten wohl ziemlich schnell zerstören. Die Unterstellung von vielen Leuten, dass Entwicklungsländern nicht einen grünen Fortschritt durchleben können, stimmt so einfach nicht. Wir/sie bemühen uns einfach noch zu wenig darum bzw der ökonomische Anreiz gewinnt erst in letzter Zeit an Wert. Aber nur an den technologischen Fortschritt zu glauben und zu hoffen/denken, dass alles von selbst sich regulieren wird, finde ich dennoch ein bisschen blauäugig. In meinen Augen braucht es definitiv auch staatliche Anreize usw. Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-05-2012 01:54 PM Zitat:Das Problem das du vorher angesprochen hast, hat viel mit dem sogenannten "green growth" zu tun. In meinen Augen können wir leider nicht mehr sagen "Die Entwicklungsländern dürfen dieselben Ressourcen verschleissen um in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vorwärts zu kommen wie die Industrieländer "damals", ansonsten hätten wir definitiv ein Problem. imo ist das nicht steuerbar. Wenn es möglich ist, diese Ressourcen zu verschleissen, dann wird es passieren, selbst wenn es massive langfristigen konsequenzen hat. Wenn es nicht möglich ist, gibts eh keine Wahl... Es ist nicht steuerbar, diese Kräfte sind viel zu stark imo. Wenn in Afrika per magischer Hand die Voraussetzungen geschaffen würde für "growth" könnte niemand "steuern" ob der "green" ist oder nicht. Wenn die kurzfristigen konsequenzen es verunmöglichen, dass er nicht green ist, würde er green sein und sonst eben nicht. Klar werden nachhaltigkeitsgrundsätze teilweise gesetzlich durchgesetzt. Aber die entscheidung ist am schluss kollektiv und kommt von relativ kurzfristigen betrachtungsweisen. Wenn wir wirklich noch ne "lost decade" oder zwei haben, wird der Atomausstieg so sicher nicht kommen, und wenn alles ok kommt, dann wird es kein Problem sein... Die Menschheit funktioniert imo so, dass sie gerade mal 2-3 Schritte vorausschaut, und erst einen schritt zur seite macht, wenn der nächste schritt vorwärts nicht machbar ist... Alles andere ist imo ne illusion... die argumentation "wenn wir no 50 jahre so weitermachen sind wir fucked" hat imo sehr wenig überzeugungskraft wirklich etwas zu tun, dass mehr ist als ein wenig ineffiziente förderung oder facebook likes verursacht... (vielleicht zurecht, weil die aussage eh unsicher ist) YrrsiN schrieb:Aber nur an den technologischen Fortschritt zu glauben und zu hoffen/denken, dass alles von selbst sich regulieren wird, finde ich dennoch ein bisschen blauäugig. In meinen Augen braucht es definitiv auch staatliche Anreize usw. naja das ist nicht wirklich eine "hoffnung"... Es ist eher eine befürchtung . Imo ist das staatliche Anreiz zeugs etc. gut gemeint, und schadet sicher nicht, aber es nützt leider auch kaum was. es braucht extremen druck, damit wirklich etwas getan wird... man muss wirklich "leiden", damit sich was ändert... Man siehe z.B. wie Griechenland trotz massiver Rezession es noch nicht geschafft hat die nötigen Reformen einzuleiten, die es braucht, damit es wieder einigermassen funktioniert... der leidensdruck ist nicht gross genug. Und das gilt überall. Wenn MORGEN kein erdöl mehr da wäre, dann bin ich überzeugt würde die Menschheit relativ schnell irgendwas finden, was als alternative taugt... aber morgen ist noch erdöl da... Der leidensdruck ist noch nicht gross genug das wirklich was passiert. Wenn man sieht was die ganze Welt für einen unglaublichen technologischen effort geleistet hat z.B. im 2. WK (obv. relativ destruktiv) und in 6 Jahren einen unglaublichen sprung nach vorne gemacht hat, weil der Leidensdruck einfach gross genug war, um die Leistung zu bringen. Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - YrrsiN - 10-05-2012 05:31 PM Paxinor schrieb:imo ist das nicht steuerbar. Wieso nicht? Auch ökonomische Präferenzen kommen von irgendwoher und sind nicht einfach vorgegeben und unveränderbar. Dementsprechend kann man den Ressourcenverschleiss ja auch mit Anreizen in die richtige (= im langfristigen Interesse der Menschheit) Richtung steuern. Klar werden die meisten nichterneuebaren Ressourcen irgendwann verschleisst, aber es geht ja nicht um die Frage ob überhaupt, sondern auf welche Art und Weise und wie schnell. Es gibt doch viele Beispiele des "green growth" die einem zeigen, dass man diese beeinflussen kann (siehe Mexiko, Costa Rica oder auch China). Das so oft unterstellte destruktive Verhältnis zwischen ökonomischer Entwicklung und Umwelterträglichkeit muss doch nicht der Wahrheit entsprechen. Klar müssen die Regierungen der Entwicklungsländer (und natürlich auch unsere) viel Geld in die Hand nehmen um den Leuten aufzuzeigen, dass es auch in ihrem langfristigen Interesse liegt nachhaltig zu wirtschaften. Schaut man nur mal auf die Wasser- und Energieversorgung oder die Luft- und Bodenverschmutzung. Häufig liegt es einfach auch an der fehlenden Bildung und dementsprechend dem fehlenden Verständnis für die Kausalitäten. Oder es fehlt an finanziellen Anreizen, sich darum überhaupt zu kümmern. Solange die externen Effekte nicht gerecht verteilt sind (oder zumindest ein Bestreben zu einer gerechteren Verteilung ersichtlich ist), so gibt es für viele auch aus ethischer Sicht keinen Anreiz sich besser zu verhalten. Und in meinen Augen ist das Ganze sowieso nicht nur eine ökonomische sondern auch eine ethische Frage, weshalb man nicht nur ökonomische Theorien zu Rate ziehen sollte. Paxinor schrieb:Die Menschheit funktioniert imo so, dass sie gerade mal 2-3 Schritte vorausschaut, und erst einen schritt zur seite macht, wenn der nächste schritt vorwärts nicht machbar ist. Wie die Menschheit funktioniert hab ich keine Ahnung. Aber sie funktioniert immer in irgendwelchen Systemen und das heutige kapitalistische Wirtschaftssystem erlaubt es uns momentan leider nur kurzfristig zu schauen, da stimme ich dir zu. Paxinor schrieb:es braucht extremen druck, damit wirklich etwas getan wird... man muss wirklich "leiden", damit sich was ändert... Definitiv! Und das grösste Problem mit unserer Umweltverschmutzung und deren Folgen, ist, dass sie für fast alle Menschen nicht wirklich vorstellbar ist. Wir können uns nicht genau einbilden, wie es sein könnte/wird, wenn wir in Europa plötzlich über längere Zeit eine Eiszeit vorherrschen würde und wir unser Leben anpassen müssten. Ganz zu schweigen von den Folgen für andere Länder (die uns sowieso nicht so wichtig erscheinen wie unser eigenes). Aber dennoch: genau weil die Vorstellungskraft nicht dazu taugt, einen individuellen Schritt zu vollbringen, so sollte dies doch am ehesten von staatlicher Seite forciert werden. Auch aus dem Grund, da man als Einzelperson vielleicht eher zu kurzfristigen Handlungen neigt (da unser Wirtschaftssystem so ausgelegt ist), aber aus staatlicher Sicht das Kollektiv noch eher mal zu altruistischen und längerfristigen Handlungen neigen könnte. Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Nimifluk - 10-07-2012 07:24 PM Sehr schöner Ansatz, entspricht auch meinem Wunschdenken, aber realistisch betrachtet trifft leider die Ausführung von Pax zu. Deine Überlegungen sind zwar korrekt, aber es scheitert an den Kosten der Umsetzung (auch wenn dies obv falsch und fatal ist, da wir nur eine Erde haben) und am globalen Willen. Sieh doch nur diese Umweltprotokolle (Kyoto und folgende), da kann man sich nicht mal auf einen simplen Konsens einigen, geschweige denn die wirklich relevanten Probleme auch nur ansatzweise bearbeiten, obwohl diese bekannt sind. Selbst eine globale gutmütige Diktatur könnte dies auch nur während einer beschränkten Zeit, dann würden wir ins alte Muster zurückfallen. Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - Paxinor - 10-08-2012 10:36 AM YrrsiN schrieb:Aber dennoch: genau weil die Vorstellungskraft nicht dazu taugt, einen individuellen Schritt zu vollbringen, so sollte dies doch am ehesten von staatlicher Seite forciert werden. Auch aus dem Grund, da man als Einzelperson vielleicht eher zu kurzfristigen Handlungen neigt (da unser Wirtschaftssystem so ausgelegt ist), aber aus staatlicher Sicht das Kollektiv noch eher mal zu altruistischen und längerfristigen Handlungen neigen könnte. Ja es ist schön und gut, wenn man ein wenig versucht zu forcieren, aber der Staat ist nunmal massivstens ineffizent... Das hat auch nix mit unserem Kapitalistischen System zu tun, sondern das ist unabhängig davon. (Man sieht ja wie andere Systeme noch mehr mühe Haben, durchzusetzen was sie wollen). Ich halte einfach nichts von diesem feuchten Traum der geistigen Elite, dass man mit korrekten Anreizen und whatever da irgendwas Steuern kann. Und das kurzfristige denken auf unser "kapitalistisches, kurzfristiges System" abschieben. Fakt ist: die Leute müssen es wollen. "Die Menschheit" muss es wollen... und das ist nicht gesteuert durch irgendwelche Wirtschaftssysteme, sondern durch ihr wollen. Ohne das ist man einfach nicht bereit, Aussergewöhnliches zu Leisten. Siehe z.B. was im 2. Weltkrieg passiert ist... in England oder Amerika während dem Krieg. Leute die freiwillig unglaubliche entbehrungen auf sich genommen haben um die Truppen und das Land zu unterstützen. Sowas ist nicht geplant oder vom Staat gesteuert... Sowas entwickelt sich selbstständig, nach gewissen Triggern. Der massive soziale "bottom up" Druck der Mehrheit, dass sich nur auf ein ziel fokusiert, inklusive crazy überreaktionismus etc. etc. Nur dann leistet eine Gesellschaft wirklich was aussergewöhnliches... und das werden wir wohl irgendwann leisten müssen... Ich bin zu 1000% überzeugt, dass all die Staatlichen Anreize etc. nur ein wenig kosmetik und n wenig "Basis für die Zukunft" sind. Obv. notwendig, aber am Ende des Tages hats halt eben keinen Einfluss... Staaten sind ineffizient, Staaten sind schlecht im "leiten und führen" und Staaten sind auch schlecht im "kollektive Meinung verändern". Staaten sind generell gut darin, Law and Order und Ähnliche Güter zur verfügung zu stellen Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - YrrsiN - 10-10-2012 02:14 AM Ich halte einiges von diesem "feuchten Traum". Denn was ist schlussendlich in den letzten Jahrzehnten geschehen, wenn nicht genau ein Steuern der Anreize? Wurden unsere Bedürfnisse nicht genau durch viel Werbeaufwand in eine von der Wirtschaft gewollte Richtung gelenkt und manipuliert? Wieviel sinnloses Geld wurde investiert, damit Menschen das Gefühl bekommen, dass sie jetzt unbedingt noch ein Stück „Ragusa“ während der Kinopause konsumieren sollen. (Ok, eigentlich ist ein Ragusa schon was Feines!) Viele unserer Wünsche wurden gemacht und sind nicht aus einem natürlichen Interesse entstanden. Vor 10 Jahren war es für alle noch sehr einfach vorstellbar ohne ein Smartphone durch Leben zu kommen, aber heute würde für viele eine Welt zusammenbrechen, wenn sie nicht mehr auf dieses Kommunikationsmittel zurückgreifen könnten (mir würde es wohl nicht viel anderst ergehen). Das meiste, was wir konsumieren brauchen wir nicht wirklich, aber unsere Wirtschaft muss ständig neue Anreize schaffen um uns bei Konsumlaune zu halten; muss uns ständig mit neuen Produkten füttern, ansonsten würde sie zusammenbrechen und wir mit ihr. Der Zwang nach Wachstum ist überall vorherrschend und somit auch der Zwang nach Werbung und der Manipulation von Präferenzen. Der Kapitalismus hat doch genau aufgezeigt wie einfach man Anreize steuern kann bzw sogar muss! Und wenn dies „die Wirtschaft“ kann, weshalb sollte nicht auch der Staat dazu in der Lage sein? Und ja, ich bin der Ansicht, dass unser kurzfristiges Denken auf unser Wirtschaftssystem zurückzuführen ist. Es führt dazu, dass den Manager, Lobbyisten usw nur dann etwas an der Zukunft liegt, wenn es in ihrem Interesse liegt. Vorher scheren sie sich einen Deut darum und der Erhalt des Status quo ist ihnen viel wichtiger. Ich will damit nicht behaupten, dass Manager schlechtere Menschen wären, überhaupt nicht, aber das System erlaubt ihnen in ihrem Beruf nur auf den kurzfristigen Nutzenentscheid Rücksicht zu nehmen, ansonsten sind sie bald ihren Job los. Deine Aussage „die Leute müssen es wollen“ stimmt natürlich. Jedoch ist ein Wunsch nicht etwas, was man unabhängig vom gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld betrachten kann. Wenn wir die Wünsche von den Menschen in Westeuropa betrachten so differenzieren sich diese extrem von denjenigen in Nordkorea. Aber in beiden Fällen sind sie doch auch abhängig vom Aufbau des Wirtschaftsystems. Im Kapitalismus sind zum Beispiel die Wenigsten bereit freiwillig auf etwas zu verzichten bzw ihr Verhalten zu ändern um ökologische Kosten zu verhindern– auf jeden Fall nicht, wenn sie dies alleine tun müssten. Und solange die anderen nicht ebenfalls auf einen Teil ihres Wohlstandes verzichten müssten, tun wir nichts. Und genau dieses allgemeine Misstrauen gegenüber den anderen Mitmenschen ist auf unsere Art und Weise des Wirtschaftens zurückzuführen, welches uns jeden Tag von neuem dazu zwingt mit anderen in den Wettbewerb zu treten und den eigenen Vorteil zu suchen. Unserem angeborenen Sinn für Kooperation und Solidarität ist dem wohl nicht allzu hilfreich. Dafür ist es uns jederzeit willkommen, andere Leute für ihr Verhalten zu kritisieren und verachten (seien dies Politiker, Banker o.ä.), aber am eigenen Verhalten gibt’s selten was auszusetzen. Dementsprechend ist es auch schwierig, die Menschen moralisch für etwas aufzufordern ohne ihnen auch einen Vorteil aufzuzeigen oder anzubieten. Sie handeln in diesem System oft erst dann moralisch (in unserem Fall ökologischer), wenn entweder alle anderen auch so handeln oder wenn es in ihrem (materiellen) Interesse liegt. Aber selten weil sie es ideologisch für das Beste halten. Dein Vergleich mit dem zweiten Weltkrieg gefällt mir hier jetzt nicht so gut. Es sollte doch um die Frage gehen, inwiefern Menschen bereit sind ihr Leben zu verändern um auf eine längerfristige, schädliche Umweltveränderung Einfluss zu nehmen wie dies z.B. beim Klimawandel der Fall ist. Dass sich Menschen innerhalb kurzer Zeit für etwas aufopfern können ist ersichtlich, aber ob sie dies auch immer für langfristige Ziele machen, ist nicht so klar. Ein schönes Beispiel liefert hierzu die Osterinsel. Die wissenschaftliche Lage ist hier nicht hundert Prozent klar, aber die populäre Theorie von Jared Diamond geht davon aus, dass sich die Inselbewohner untereinander einen Statuen-Wettkampf geliefert haben, welche ein Statussymbol darstellten. Dieser hatte schlussendlich solche Ausmasse angenommen, dass der Bau dieser Statuen extrem viel Ressourcenverschleiss mit sich zog und mit der Zeit fast der ganze Wald abgeholzt wurde. Und durch den damit einhergehenden Verlust an Nahrung mussten sie auf das Meer als Nahrungsquelle wechseln, wobei sie die Delphine, Land-und Seevögel ausrotteten. Die darauffolgende Hungersnot führte zum Zusammenbruch ihrer Kultur und die Bevölkerung nahm drastisch ab. Wieso sah das niemand kommen? Wieso wurde nichts gegen die Waldrodung unternommen? Ich kann mir gut vorstellen, dass es den meisten Inselbewohnern genauso ergeht wie uns: man sieht vielleicht ein Teil des Problems, aber hält es nicht für so wichtig um das Leben so umzugestalten, wie es der Regenerierung des Waldes von Nöten wäre. Ein anderer Grund ist wohl, dass für sie schon immer Bäume gefällt wurden und dass es auch nicht so schlimm sein kann, wenn der letzte gefällt wird. Dieses Phänomen der „shifting baselines“ habe ich oben ja schon erwähnt und trifft auch hier zu: das Problem ist auch immer ein Problem der relativen zeitlichen Betrachtung. Ein Inselbewohner sieht in den letzten 10 Jahren der Rodung keinen grossen Unterschied, hätte er jedoch 100 oder 200 Jahre gelebt, so würde er das Problem viel eher einschätzen können. Es gibt einige Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Zustand. Wir wachsen so schnell und verbrauchen so viele Ressourcen wie nie zuvor und dennoch sieht es nicht danach aus, als ob wir unser Leben in den nächsten 10-20 Jahren gross ändern würden. Klar wird es einen technologischen Fortschritt geben, der allein wird aber nicht ausreichen um unser Umgang mit den Ressourcen zu ändern. Und ich glaube ebenfalls nicht, dass die Wirtschaft allein, ohne die Hilfe von Staaten und deren finanzielle Mittel/Anreize dies auf die Reihe kriegt. Ein weiteres Beispiel ist für mich die Laufzeit der AKWs. Was den CO2 Ausstoss anbelangt sind sie ökologisch vielleicht gut, aber sie führen dazu, dass viel weniger in erneuerbare Energieforschung investiert wird. Ganz zu schweigen vom Transuran, welcher auch nach vielen Jahrtausenden nicht an die Umwelt gelangen darf und somit für (sofern überhaupt) spätere Generationen unzumutbar ist. Auch hier glaube ich, dass ohne einen staatlichen Zwang es noch einige Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte gedauert hätte, bis in Europa die Energiekonzerne freiwillig den Atomausstieg gewählt hätten. Yeah, dank meinem Post wird ich nun wohl für mein Leben lang als staatsgläubiger Gutmensch abgestempelt (vielleicht müsste man meinen Titel sowieso ändern? ).. Zu meiner Verteidigung: eigentlich bin ich nicht sooo staatsgläubig wie ich rüberkomme, aber solange wir dem Kapitalismus treu bleiben, so lange bleibe ich dessen Kritiker. Ich habe mich vor 4-5 Jahren intensiv mit der Freiwirtschaft beschäftigt, hab nun jedoch das meiste wieder aus dem Gedächtnis verloren. Ich will in diesem Thread keine Diskussion darüber starten (dafür müsste ich mich sowieso zuerst wieder einlesen), aber ich finde deren Kritik an unserem Geld- (bzw Zins-) System sehr interessant und teile, wie oben ersichtlich, auch deren Urteil über unseren Wachstumszwang und den fragwürdigen Zielen unserer Politiker, dass man das BIP um jeden Preis steigern muss. Ich finde es übrigens sehr interessant mit dir zu diskutieren Pax, aber unsere verschiedenen Überzeugungen scheinen so eklatant auseinander zu liegen, dass es schwierig sein wird einen gemeinsamen Nenner zu finden. Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 10-10-2012 04:49 PM Imo macht man es sich zu einfach einem "System" die Schuld zu geben. Genau dieses wurde ja von Menschen geschaffen. Vielleicht sind einfach die Menschen schuld und im Grunde kurzfristig und eigennutzenorientiert? Staaten sind ja auch keine wohlwollenden Diktatoren sondern bestehen aus Institutionen und Politikern die eigene Ziele verolgen. |