Warzenschwein in Vietnam
So, damits auch gelesen wird:
Hallo raisler, nach einer Mailrunde an Freunde und Familie und einem ersten gescheiterten Versuch habe ich immer noch Lust zu Texten. Ich kenne fast niemanden hier persoenlich und nur jemand hier kennt mich. Trotzdem finde ich mich immer wieder hier, habe Spass, picke was auf und deswegen ists langsam an der Zeit, ebenfalls ein bisschen fuer Unterhaltung zu sorgen. Dieser Moment erscheint mir sehr passend, da ich auf meiner Januarreise in Vietnam wahrscheinlich interessantere Tage habe als ihr in der kalten Schweiz.
Als ich letzten Freitagmorgen in den A 380 stieg, war sogar die schlechte Laune verschwunden, welche ich wegen des 13h-Fluges hatte. Natuerlich konnte ich nur kurz doesen und kam total uebermuedet, wie erwartet, in Singapur an und schlief nach einem kurzen Spaziergang in der Morgensonne den ganzen Tag durch. Am Abend traf ich einen bekannten und wir gingen essen. Aber eigentlich moechte ich eure wertvollen Sekunden nicht mit Standardgeplaenkel vergeuden. Singapur scheint mir naemlich recht westlich, also nicht viel neues, halt wie erwartet sauber und sehr teuer.
Vielmehr wollte ich etwas total neues sehen, deswegen hats mich nach Vietnam gezogen. So flog ich am Montagmorgen 2h nach Saigon (oder HCMC), wo ich in langen Jeans (de duemmscht...) in schwuele 30 Grad stolperte und von gefuehlten 2 Millionen Vietnamesen empfangen wurde. Im Taxi hatte ich dann den ersten Flash: Der Verkehr hier scheint wie ein Rennen zwischen ein paar wenigen Autos und tausenden Scootern zu sein, welche jedoch alle im richtigen Moment die Geduld wahren. Die Rollermobs, welche sich an den Ampeln sammeln, erinnern mich an eine unbewilligte Velo-Demo. Die Fahrer sind vermummt, tragen Baseballhelm-artige Kopfbedeckungen und stuermen, wenn die Ampel auf gruen schaltet los als ob von hinten eine Bullenfront droht, sie einzukesseln. Nach der 3x bezahlten Taxifahrt stand ich in der vom Lonely-Planet vorgeschlagenen Budget-Hotel-street und schnappte mir sogleich das erstbeste Hotel, welches fuer 15$ ein Zimmer mit Dusche, WC, AC & TV fuer mich bereit hielt.
Den Rucksack abgeworfen, staunte ich an der ersten grossen Kreuzung wieder in den Verkehr und lernte von den Vietnamesen nach und nach das ueberqueren, bis ich es dann auch alleine wagte. Es toent einfach, braucht aber Mut einfach zwischen den Scootern langsam durchzugehen. So verstrich der halbe Nachmittag mit Spaziergaengen und ich war schon ein bisschen Stolz und hatte Freude, dass das anfangs mulmige Gefuehl sich verabschiedete. Auch am Dienstag suchte ich mir noch keine Touristenattraktion aus - ich kann einfach nicht viel mit Kirchen usw anfangen - und trottete durch die Gassen, las Buecher in Paerken und traf dort auf Studenten, welche mit mir English lernen wollten und mich dabei gnadenlos auspressten wie eine Zitrone. Hier gibts uebrigens nur kleine Laeden, welche spezialisiert sind. Auch in den grossen Supermarkthallen sind alles kleine Laeden, welche insgesamt einen recht chaotischen Eindruck abliefern. Man kann alles kaufen: Kleider, Essen, Schmuck, Tiere, Saerge, Stahlprofile, Kuecheneinrichtungen usw.
Eine Sehenswuedrigkeit wollte ich mir nicht entgehen lassen: Das War Remnants Museum. Waehrend draussen die Flugzeuge und Panzer an Call of Duty erinnern und die Kriegsgeilen Augen zum funkeln brachten, musste man in der Photogallery die Traenen unterdruecken, welche von einem Dauerfrost im Ruecken begleitet wurden. Die Fotos waren heftig, haufenweise tote Kinder, zerfetzte Soldaten und einschneidende Statistiken brachten mein Glueckshaus ins Schwanken. Es tat mir gut, den Vietnamkrieg einwenig aufzufrischen und dabei noch mit zusaetzlichen neuen Infos bepackt zu werden.
Auf dem Rueckweg war ich muede & nachdenklich. Die Verneinungen auf die Fragen, ob ich eine Runde Scooter oder Velotaxi fahren, was zu trinken oder essen moechte, kann ich inzwischen auf Vietnamesisch aussprechen, was mir ein bisschen effektiver scheint. So sage ich taeglich 50 mal Nam Caman. Auch wenn Nachts die Fragen aendern und von Drogen und Happy-Ending-Massages handeln, bin ich fuer nichts zu haben. Drogenkonsum ist zu gefaehrlich, eine Kiff-Pause tut mir sowieso gut, und fuer Sex wuerde ich auch nicht bezahlen, wenn ich Single waere.
So suche ich mir ein Restaurant mit Blick auf die Strasse, bestelle was heftiges zu Essen, was ich zuhause nicht an jeder Ecke kriege, hau mir ein paar Bierchen rein, bezahl den gesamten Abend mit einer 200k Dong-Note, was etwa 10$ entspricht und geh dann wieder schlafen. So ein Tag toent irgendwie langweilig, ist fuer mich aber immer noch total aufregend, weil ich noch nie in Asien war. Nur schon das essen ist zuu geil, obwohl ich manchmal weinen muss typisch vietnamesisch ist zum Beispiel Pho, eine Reisnudelsuppe mit Fleisch und Gemuese.
Ich bin wohl ein wenig zu aengstlich hier, da ich meine Monatsreise nicht so einfach riskieren moechte. So halte ich mich fern von Rohkost und Leitungswasser, den ueberall tourenden mobilen Essensstaenden und hoffe dass ich so weiterhin meine Medikamente nicht benoetige. Es ist ein bisschen wie ein Deepstack-Tourney, da moechte ich auch nicht bereits im 2. Level mit Pocket Jacks broke gehen. Heute Abend startet meine 10h-Nachtbusfahrt nach Nha Trang, wo ich endlich meine kaputtgelaufenen Fuesse entlasten kann, weil die Spazier- mehr und mehr den Tauchgaengen weichen werden.
Uebrigens laesst mich die Berfreiung aller Screens - sei es im Buero, zuhause oder unterwegs - richtig aufleben und ich vermisse keine meiner Suechte. Poker scheints nie gegeben zu haben, Call of Duty ist Zeitverschwendung und anstatt dem Gras hinterherzutrauen erfreue ich mich an den wieder einsetzenden Traeumen. Dabei habe ich eigenltich vorgehabt, im arbeitslosen Februar serioes zu Pokern, also einige Tagessessions zu grinden, aber das ist ein anderes Thema...
So ich hoffe, nicht zu oft das Thema gewechselt zu haben und ebenso, dass es Spass gemacht hat, den Blog zu lesen.
Melde mich dann wieder, GrunZ aus Saigon
Hakuna Matata :mrgreen:
PS Armi: ich spiel auf Xbox 360, am liebsten S&Z
und hier im Hotel in Nha Trang gibts sogar gratis Internet, waer haette das gedacht. Schlafbus war uebrigens ganz easy, mal abgesehen vom staendigen gehupe, das ist hier standard. unbequem, aber hab immerhin den grossteil geschlafen
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