Zitat:Und Leute die viel Geld besitzen und es verleihen wollen, sitzen doch immer am grösseren Hebel, als Leute, die das Geld unbedingt brauchen!?!
Das hängt sehr von angebot und nachfrage ab und wie kompetitiv der market ist (i.e. monopol oder vollständiger wettbewerb). Imo ist das kreditwesen ein klassischer Fall von einem vollständigen Wettbewerb, und man kann ja in der praxis observieren, dass die zinsen abzüglich allen aufwänden nur sehr minimal über der teuerung liegen. die "rente" von Geld ist nunmal sehr schlecht. Ich denke das Wettbewerbsargument ist imo schon gut genug, aber ich will meine argumentation ein wenig erweitern, und ein imo koheräntes framework aufbauen, wie die Welt und Geld funktioniert, um gewisse Faktoren festzuhalten:
Damit wir aus der Verwirrung was genau Geld und was Schulden sind ("Geld" auf deinem konto sind defacto schulden mit einem kleinen anteil von Nationalbankreserven) herauskommen argumentiere ich von jetzt an, dass Schulden/Geld das selbe sind wie "zukünftig versprochene realgüter" (ZVRG). Menschen mit viel Geld und oder Schulden haben einfach sehr viele ZVR auf die sie von der allgemeinen Ökonomie zu gute haben, und auch bekommen werden, weil die ganze Ökonomie ja auf kurz oder lang dieses Geld als tauschmittel braucht, und der reiche auf kurz oder lang dieses Geld gegen Realgüter wieder eintauschen will.
Wenn jemand viele ZVRG besitzt, ist es zwingend, dass irgendjemand ihm diese ZVRG gegeben hat, normalerweise gegen einen Tausch von irgend einem anderen Gut. Man bedenke, dass bei mehr oder weniger freien Märkten, dies nur "freiwillig" passiert sein kann, sprich jemand weniger reiches muss ihm diese ZVRG freiwillig zugekommen haben lassen. Nun kann man sagen "ja wenn er es nicht getan hätte, hätte er sterben müssen, weil für ihn das getauschte Gut lebensnotwenidg war, ergo nicht freiwillig"... fair enough, aber er hätte trotzdem sterben können. Diese "pseudofreiwilligkeit" ist aber ein wichtiger faktor, denn es skizziert klar woher das "ungleichgewicht" kommt. Es kommt vom Gut, dass der Reiche produziert und gegen ZVRG tauscht, weil er mehr davon hat als er selber verbrauchen kann.
Nehmen wir eine Miniökonomie an, wo 100 Leute wohnen, 99 können alles produzieren ausser Nahrung... und 1ner kann nix produzieren ausser Nahrung... dieser 1ne Nahrungsproduzent wird sehr reich werden, weil er das einzige wirklich lebensnotwendige gut produzieren kann. Daher kommt auch das ungleichgewicht.
ABER: sobald die anderen auch lernen wie nahrung zu produzieren, wird der reiche nicht mehr reicher werden... sein "längerer hebel" ist weg.
Grundsätzlich will ich einfach festhalten: in einer ein wenig idealisierten welt ohne spezialkonditionen bietet viel ZVRG bzw. Geld ALLEINE keine möglichkeit, noch mehr ZVRG anderen leuten wegzunehmen. Das ist NICHT eine grundsätzliche eigenschaft von geld, weil ich keinen tausch von geld zu realgütern erzwingen kann mit geld (im vakuum betrachtet)
Also müssen wir irgendwelche "spezialfälle" konstruieren, damit wir ein plausibles szenario haben wie reiche leute, einfach weil sie reich sind (und nicht aus zugrundeliegenden faktoren) anderen leuten noch mehr geld aus der tasche ziehen können
YrrsiN schrieb:Es geht doch vielmehr um die ganzen Privilegien die Reiche gegenüber "normalen" Personen haben (Einflussmöglichkeiten durch Lobbyismus, Grössere Vernetzung und somit grösserer Informationsgewinn, Steuergeschenke an reiche Ausländer, o.ä.)
was mich dazu bringt. Obv. völlig valide argumente, die immer dann entstehen, wenn arme leute nicht die vollständige kontrolle über ihren reichtum haben, sondern ihn abgeben... an den staat, an eine Pensionskasse etc. Mit "principal-agent" problemen sind szenarien, wo leute mit geld noch mehr geld kaufen können durchaus plausibel, aber es gibt auch eine Gegenseite:
Man darf nicht vergessen, das vom Staates her eine MASSIVE umverteilung von oben nach unten stattfindet, die deine genannten effekte mehr als nur kompensiert... Die progressiven Steuersätze, die zweistellige prozentzahlen ausmachen können (auch pauschalbesteuerungen sind btw. nicht gratis!) sind grund genug, all diese Vorteile mehr als nur wett zu machen. Nach Steuern ist es ganz klar: Reiche leute werden ärmer, wenn sie brutto einkommensmässig nicht noch reicher werden! Dies trifft imo in fast jedem Entwickelten Land zu und wer das Gegenteil behauptet, sieht an der realität vorbei.
Wenn ich jemandem 10 mio in die Hand drücke, hat er damit alleine nicht das potential gewonnen daraus 15 oder 20 zu machen. Wenn er damit nix macht, wird es wohl oder übel abnehmen und langsam umverteilt auf die Gemeinschaft.
Noch schnell zurück zum sparkonto:
Sparkontozinsen sind generell abnehmend mit der Menge des Betrages. Und entgegen landläufiger Meinung gibt es für reiche leute keine Opportunitäten, die es für den mittelstand nicht gibt. Ich versteh auch nicht ganz wie man davon ausgehen kann, dass man ohne "cleverness" eine reale rendite generieren kann aufs kapital. Wie soll das gehen? wenn jemand eine reale rendite aufs kapital kriegt, kriegt jemand anders eine negative reale rendite... Wer ist das?
Man sollte davon ausgehen, nicht mehr rendite als die inflation zu machen, egal in welcher Anlageklasse. Und wenn man eine reale rendite kriegt, sollte man wohl davon ausgehen, dass man etwas anderes "schlechtes" kriegt (z.B. vola)
z.B. wird ja immer dargelegt wie sehr das Sparkonto (das defacto short term bonds sind) schlechter sie als Aktien (zumindest in der vergangenheit). Wenn man es aber sauber durchrechnet, abzüglich transaktionskosten aller art (historisch adjustiert!), survivorship bias (1935 war noch nicht klar, dass die USA sich wirtschaftlich so entwickelt) kommt nicht viel mehr raus als beim sparkonto. Einfach den Dow Jones aufkumulieren ist eben nicht eine realistische ex ante anlagestrategie...
Vermögensverwaltung = Werterhaltung und nicht Wertvermehrung. Alles andere geht gar nicht auf, weil damit ich aus ZVRG noch mehr ZVRG werden, muss ein anderer aus ZVRG weniger ZVRG machen... das gleichgewicht ist nunmal ZVRG heute = ZVRG morgen...