armi94 schrieb:Zudem sagt reines Kapitalwachstum nichts über die Verteilung des Kapitals aus und ob die Menschen dieses als fair empfinden
Das stimmt natürlich. Aber wenn wir die immer grösser werdende Kluft zwischen Arm und Reich betrachten, die auch in den Industrieländern je länger je mehr erkennbar wird, so sieht es danach aus, dass ein Kapitalwachstum in einem kapitalistischen System auch zu einer immer grösseren Kluft führt. Dies macht ja auch Sinn: je mehr Geld man nicht konsumieren muss, sondern auf die Bank legen und Zins kriegt oder anderswo profitabel investieren kann, desto schneller vermehrt sich das Geld ohne es überhaupt selber bedienen zu müssen. Reiche können ihr Geld viel schneller vermehren, ohne dafür arbeiten zu müssen.
Und wenn man in den Medien liest oder mit Leuten spricht, so empfinden doch sehr viele Menschen die momentane Verteilungssituation als unfair. Die Abzocker- oder die 1:12-Initiative kommen nicht von ungefähr und sind Ausdruck der Empörung von Schweizer Bürgern und Bürgerinnen. Ob sie sinnvoll sind oder nicht sei dahingestellt, aber sie widerspiegelt die Empfindung gegenüber der Einkommensungleichheit, sogar in der Schweiz.
Ihr mögt vollkommen recht haben bezüglich den Linken und ihrem Problem der Vermischung von „policy und Empathie und Moral“. Wenn man aber in die USA schaut, deren Einmischung des Staates in die Umverteilung um einiges geringer ist als in Europa, so trifft aber die Theorie, dass der Markt von sich aus zu einer Umverteilung führen wird, nicht zu. Im Gegenteil ist gerade in den USA diese Diskrepanz am Grössten.
Ich habe hier noch einen Artikel aus der Zeit. Der wird wohl wieder für viel Diskussionsstoff sorgen
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.zeit.de/2002/46/200246_krugmann.neu.xml">http://www.zeit.de/2002/46/200246_krugmann.neu.xml</a><!-- m -->
Aber ich geb euch vollkommen Recht, dass anhand Huffschmids Zahlen natürlich noch keine Umverteilung von unten nach oben ersichtlich ist.
armi94 schrieb:Ich mein die Aussage dass man nichts in Produktion investiert ist schein mir nicht begründet. Alles was Menschen auf einer Bank anlegen ist ja per se eine Investition in Produktionsfaktoren solange die Banken Kredite ausgeben.
Ok vielleicht hab ich von der Börse wirklich noch gar nichts begriffen. Aber ist es nicht so, dass die meisten Gelder auf den Kapitalmärkten hin- und hergeschoben werden als Anlage- und Spekulationsgelder und nur ein kleiner Teil durch den Güterverkehr bedingt ist?
Hinter all den Investitionen steht als oberstes Gebot der kurzfristige Profit. Langfristige, nachhaltige Investitionen haben kaum Platz auf dem Finanzmarkt, auch wenn es eigentlich auch anders gehen würde (siehe Alternative Bank o.ä; Nicolas Bär hat mal gesagt: „.. Idealismus und Geschäftssinn sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Unter diesen Voraussetzungen glaube ich nicht, dass die Alternative Bank Schweiz ein Erfolg werden kann“ He was wrong).
armi94 schrieb:Man kann zudem die Altersversicherung privatisieren, die womöglich dann kostengünstiger ist (ist bei Versicherungszwang empirisch nicht eindeutig) und Menschen verpflichten sich zu versichern und bei den schlecht verdienenden staatliche Zuschüsse zahlen.
Interessante Idee. Hast du irgendwo ein Diskussionpapier dazu? Pro/Kontra
armi94 schrieb:Dass der Zuwachs von Kapital dazu führt dass globaler investiert wird ist ein gewaltiger Vorteil. Genau das führt zu Lohnanstiegen (siehe China und bald wohl Südostasien) und zu Investitionen in Ländern die bis jetzt noch verhältnissmässig wenig Investitionen erfahren haben.
Agree. Diesbezüglich verstehe ich die Linken auch überhaupt nicht. Globalisierung muss man imo als Chance und nicht immer nur als Gefahr wahrnehmen. Diese Verteufelung der Globalisierung macht einfach wenig Sinn und läuft genau auf das hinaus, was ihr bei Glättlis Artikel kritisiert habt.
armi94 schrieb:Die Rationalisierung von Produktionsprozessen führt natürlicherweise zur Umverteilung zunächst mal aber vor allem auch UNTER den Arbeitnehmern.
Jep, auch hier seh ich die Argumente der Linken nicht ein: sie verteufeln die bösen Unternehmen in der Schweiz welche Arbeitsstellen kürzen müssen (aufgrund der Globalisierung), aber gleichzeitig geht es den Entwicklungsländern, in welchen diese Stellen geschaffen werden, besser (sofern der Lohn auch wirklich den Arbeitern ausbezahlt wird, was leider nicht immer der Fall ist).
armi94 schrieb:Meiner Meinung nach irreführende Darstellung. Was ist hier denn der Unterschied?
Also ich hab die Grafik so verstanden, dass es nach Huffschmid früher viel mehr Investitionsmöglichkeiten gab als heute (da der Markt in den Industrieländern ziemlich gesättigt ist) und die Nachfrage nach Kapital grösser war als das Angebot. Heute ist das Kapitalangebot grösser, als deren Investitionsmöglichkeiten (macht aber auch nur dann Sinn, wenn er sich auf den gesättigten Markt bezieht und nicht auf die gesamte Welt?). Dieser Umstand führt dazu, dass die Banken nicht mehr nur auf Kreditgeschäfte aus sind, sondern sich vermehrt auch ins Spekulationsgeschäft begeben und dadurch ein grösseres Risiko tragen (siehe Haftungsproblem).
armi94 schrieb:Dass sie Druck auf die Regierung ausüben wollen wir in aller Regel nicht, das machen aber andere Interessengruppen (Bauern, Gewerkschaften, Versicherungen, Staatliche Institutionen) genauso.
Das stimmt natürlich. Aber die Macht des mobilen Kapitals ist nun mal um einiges grösser als dasjenige von Arbeitnehmerinteressen. Man vergleiche nur schon deren Drohmöglichkeiten.
Ich stimme mit dir aber überein, dass wir den Druck auf die Politik so gering wie möglich gestalten sollen (egal ob der Druck von Finanzunternehmen oder Gewerkschaften), aber dass die Finanzunternehmen heutzutage mächtiger sind und in dieser Beziehung eher reguliert werden sollten (durch Transparenz oder ähnliches? Oder was hattest du im Kopf?) liegt für mich auf der Hand.
armi94 schrieb:Zudem führt die Einlagesicherung dazu, dass Menschen nicht die Banken wählen mit dem geringsten Risiko (dafür auch dem niedrigsten Zins), sondern dass sie eben die wählen die den höchsten Zins haben (grösstes Risiko). Durch Einlagenschutz fördern wir also die Risikobereitschaft von Kunden und Banken.
Ist das empirisch erwiesen? Sind die Menschen im Durchschnitt nicht eher risikoavers? Wählen sie, vor allem auch nach der Finanzkrise, nicht eher die sichere Bank, auch wenn sie dadurch weniger Zinsen erhalten.
armi94 schrieb:Am Schluss geht er nochmals auf die Privatisierung ein. Ich wiederhole nochmals, es hängt stark vom jeweiligen Gut ab das angeboten wird ob eine Privatisierung ökonomisch Sinn macht oder nicht.
Ich glaube da würde dir Huffschmid nicht unbedingt widersprechen. Es geht ihm halt vor allem um die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ich würde ihm in diesem Bereich (Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung usw.) auch zustimmen.
Paxinor schrieb:sind einfach nur schwadronierungen. "die stärke des kapitals". Was ist das, wie kann ich es beobachten, und warum ist es so.
Soweit ich das verstehe meint er damit, dass das „Kapital“ (hier wohl gemeint als die Interessengruppen, welche über Kapital verfügen) eine grössere Machtposition hat als die Arbeitnehmer. Dies insofern, dass die grossen Unternehmen viel mehr Einfluss in die Politik nehmen können als Gewerkschaften o.ä. Man betrachte nur schon den Irakkrieg, da ging es zum einen um geostrategische Überlegungen aber zum anderen bestimmt auch um die Interessen der Rüstungsfirmen und der Ölbranche in den USA. Imo will er hier unter Anderem die Vernetzung des „big business“ mit der Politik verdeutlichen und auch aufzeigen, dass diejenigen Leute welche viel Geld besitzen auch viel mehr Macht ausüben können (-> Stärke des Kapitals). Oder hab ich das falsch verstanden?
Ich verstehe eure Kritikpunkte je länger je besser und sehe die Widersprüche nun auch. Aber ich teile seine Einschätzung, dass sich das Kapital je länger je mehr zu denen strebt, die schon viel besitzen und dadurch grösseren Druck auch auf außer wirtschaftliche Bereiche ausüben können.
Und um hier noch kurz auf einen Absatz in Armis Artikel zurückzukehren:
„In a free market, firms would be smaller and less hierarchical, more local and more numerous (and many would probably be employee-owned); prices would be lower and wages higher; and corporate power would be in shambles. Small wonder that big business, despite often paying lip service to free market ideals, tends to systematically oppose them in practice.“
Das hört sich wirklich schön und gut an und wenn ihr mich auch aufzeigen könnt, dass dies auch so zutreffen würde, wäre das toll. Aber wenn ich nur schon die Entwicklung auf dem Lebensmittelmarkt betrachte so sieht das ganze irgendwie ein bisschen anderst aus. Gerade hier haben sich genau keine kleineren Firmen entwickelt, im Gegenteil. Der grösste Teil unserer Nahrungsmittelpalette stammt aus ein paar wenigen grossen Firmen (Nestle, Kraft-Food, etc). Woran liegt das? Der Markt unter den Lebensmittelanbietern ist doch einigermassen frei?
Und auch das „more local und less hierarchical“ erkenne ich in der Realität nicht wirklich.
Eine andere Frage bezüglich des freien Marktes: nehmen wir an auf der ganzen Welt gäbe es dieses Ideal tatsächlich, gibt es dann auch keine Ausbeutung mehr? Keine Kinderarbeit o.ä? Und falls doch, was müsste man dagegen machen? Wären auch da Regulierungen fehl am Platz? Oder anderst gefragt: sind in einem freien Markt Arbeitnehmergesetze auch noch nötig? Falls ja, ab wann sind sie dann schädlich für den Markt und wer bestimmt dies? Falls nein, weshalb nicht?