Paxinor schrieb:ich hab einfach mühe damit, dass MP Rator die Realität zeichnet, dass die stärke der SVP (und anderen rechten parteien) irgendwie "unnatürlich" ist, sprich durch externe Faktoren wie "viel Geld" und "einfache schwarz weiss messages" und "schmierkampagnen".
Sprich es steht implizit klar im raum, dass "eigentlich" wenn alles "fair" ablaufen würde, (sprich die SVP weniger geld hätte, und normal argumentieren würde) und die leute ganz gut informiert wären sie eigentlich gar nicht so stimmen würden, sondern dann schon einsehen würden, was das "richtige" ist.
Was in der Politik "faires" oder "unfaires" Verhalten ist, lassen wir jetzt mal dahingestellt. Und wenn die SVP ihr Wählerpotential optimaler ausschöpft als andere Parteien und die SVP-Wählerschaft einen höheren Mobilisierungsgrad aufweist als andere Wählerschaften, dann ist das auch nicht "unnatürlich", sondern einzigartig. Aber das ist ja auch nicht der Punkt. Meine ursprüngliche Behauptung war, dass die SVP am meisten von einer BR-Volkswahl profitieren würde, weil sie am meisten Geld hat und ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass Geld für die Mobilisierung der Wähler ein ganz wichtiger Faktor ist. Oder warum denkst Du, hat die SVP die Initiative lanciert und warum sind alle anderen Parteien dagegen? Ganz offensichtlich verspricht sich die SVP irgendeinen Vorteil von einer direkten BR-Wahl durch das Volk.
Und selbstverständlich würden viele SVP-Wähler anders stimmen, wenn sie anders informiert wären. Das würden wohl die Meisten von uns tun. Diese Diskussionen, die wir hier dauernd führen, beeinflussen mein Wahlverhalten ganz beträchtlich :wink:
Bezüglich Manipulation: Ich greife jetzt mal das Beispiel Ausländerkriminalität auf. Studien zeigen, dass Ausländer in der Schweiz im Schnitt krimineller sind, als Schweizer. Das ist eine Tatsache, die die SVP natürlich gern zitiert. Was der SVP nicht in den Kram passt und was sie deshalb verschweigt ist, dass, wenn man für den sozio-ökonomischen Status kontrolliert, die Kriminalitätsunterschiede zwischen Ausländern und Schweizern verschwinden. Das heisst, Ausländer und Schweizer mit ähnlichem Hintergrund (Bildung, Alter, Geschlecht, familiäre Verhältnisse etc.) werden ähnlich oft kriminell. Ausländer (mit Ausnahme der Deutschen) in der Schweiz sind nur krimineller, weil sie im Schnitt jünger, männlicher, ärmer und ungebildeter sind und öfters aus zerrütteten Familien stammen und öfters traumatischere Erlbebnisse erlebt haben als der oder die Durchschnittsschweizerin. Wenn die SVP also einen Einwanderungsstopp oder die strengere Bestrafung bzw. Ausschaffung krimineller Ausländer verlangt, bekämpft sie damit die Ausländerkriminalität nur einseitig und indirekt - wenn sie gleichzeitig die Integration von Ausländern bekämpft, verschlimmert sie das Problem auf der anderen Seite noch. Die SVP macht dies obv. aus Wahltaktik so. Andere Parteien haben mit Sicherheit auch ihre Steckenpferde, wo sie aus denselben Gründen unsachlich und unkonsistent argumentieren. Trotzdem sehe ich bei diesem Beispiel den Vorwurf der Manipulation seitens der SVP mindestens indirekt erfüllt.
Paxinor schrieb:1. Alle Studien (und die werden hier nicely ignoriert und es wird einfach das gegenteil behauptet) sagen, dass Geld keine grosse rolle spielt.
Also ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich bin da, wie gesagt, nicht so sicher wie Du. Hier im Thread wurde bisher eine Studie von Armi verlinkt und die bezog sich auf die USA.
Paxinor schrieb:die ungebildeten, dummen uninformierten SVP Wähler wählen emotional und aus überzeugung SVP, und sie werden es auch tun, wenn die SVP praktisch null Wahlbudget hätte und nur auf Freiwilligenarbeit basieren würde. Diese Leute würden eher sterben als jemals mittig oder links zu wählen, und da kann man ihnen eine ganze Wahlmaschinerie entgegenwerfen es spielt keine rolle. Diese Leute wurden nicht da reinmanipuliert, sondern die SVP wurde so manipuliert, dass sie diese Leute anspricht. Es ist ein reales phänomen, und es ist NULL finanziell getrieben! Die SVP implementiert diesen Leuten auch nicht irgendwelche Ängste, oder vergrösstert sie... diese Ängste sind schon da, sie sind real und sie müssen nur noch abgeholt werden. Diese ungbebildeten dummen leute haben diese ängste wirklich, und sie sind nicht von der SVP in ihr Gehirn hineingesetzt worden, bzw. "gezüchtet" worden. Ich bin überzeugt man könnte überall nur noch "bildende" und "ängsteverhindernde" plakate aufhängen, in Flach, zürcheroberland würden die ängste nicht kleiner... im gegenteil!
Viele der SVP-Wähler haben oder hätten noch vor zwei Jahrzehnten SP gewählt. Ich spreche von den ehemaligen Linksmaterialisten, die sich von der früheren Arbeiterpartei SP und jetzigen Mittelstands- und Bildungsbürgertumpartei SP nicht mehr vertreten fühlen und infolgedessen von den neuen rechtspopulistischen Parteien abgeschöpft worden sind. Dieses Phänomen kann man übrigens in vielen europäischen Ländern beobachten. Die Parteipräferenz selbst der "dümmsten" Wähler ist also keineswegs so fix, wie Du es darstellst.
Dein Punkt, dass die Ängste bereits vorhanden sind und dass sie von der SVP bloss abschöpft werden und dass ihr dies auch ohne viel Geld gelingen würde, mag teilweise stimmen, entkräftet allerdings nicht die These, dass die BR-Wahl durch das Volk in erster Linie der SVP nutzen würde. Selbst wenn es so wäre, wie Du es darstellst und Geld keine wichtige Rolle spielte, würde trotzdem die SVP profitieren, eben weil gewisse Meinungen bei gewissen Leuten mehr oder weniger unerschütterlich sind.
Paxinor schrieb:Ich habe keine Ahnung wie man monieren kann, die Ständeratswahl sei nicht repräseuntativ für eine Allfällige bundesratswahl. Ständeratswahlen sind klassische personenorientierte mit 2-3 legit kandidaten! Der exakte proxy einer Bundesratswahl! Und hier zeigt sich genau was passiert... Die SVP kann eben dann genau nicht mehr mobilisieren... was für mich ein klarer Hinweis ist, dass die Kausalität der Mobilisation mit dem Thema und nicht mit dem reingesteckten geld zu tun hat. Du sagst ja selber, die SVP kann für Köpfe nur ihre Basis mobilisieren, und nicht in der Mitte wildern... warum? die SVP gibt ja sowohl für initativen wie auch für Kopfwahlen viel geld aus... Der Unterschied ist eben: die Köpfe der SVP sind Köpfe wie jede andere auch. die Themen der SVP brechen tabus, und sie werden dafür belohnt, weil ein grossteil der Bevölkerung diese Tabus gebrochen haben will, und zwar intrinsisch, und unabhängig der intelligenz und schon gar nicht "manipuliert"
Ich sehe die Ständeratswahlen nicht als Proxy für potentielle BR-Wahlen. Es macht in punkto Ressourceneinsatz und Themenwahl einen Unterschied, ob man regionalen oder nationalen Wahlkampf betreibt. Auf nationaler Ebene müssen die Kandidaten viel allgemeinere und griffigere Parolen vertreten, da sie ihre Wählerschaft in allen Landesteilen erreichen müssen. Die Probleme auf nationaler Ebene sind komplexer als auf lokaler und regionaler Ebene. Die propagierten "Lösungen" wären simpler... ein Vorteil für die SVP.
Und noch etwas muss man sich vor Augen halten: Wie definieren wir eigentlich "Nutzen für die SVP"? Wenn ich behaupte, die Volkswahl der Bundesräte nütze in erster LInie der SVP, muss dass noch lange nicht heissen, dass die SVP im BR plötzlich übervertreten (oder nicht mehr untervertreten) ist. Wie Du selber sagst, lebt die SVP von ihrer Provokation. Rechtspopulistische Parteien büssen überall in Europa an Popularität ein, sobald sie echte Verantwortung übernehmen müssen, weil sich zeigt, dass ihre "Lösungen" und Wahlversprechen in der Praxis absolut untauglich sind. Die Volks-BR-Wahl wäre eine weitere Möglichkeit für die SVP, sich zu profilieren, zu provozieren, sich als Opfer des Mainstreams und der classe politique darzustellen, ihr Underdog-image zu pflegen und damit ihre Wählerschaft weiterhin bei der Stange zu halten und eventuell weiter auszudehnen. Wenn ein SVP-Kandidat in einer Stichwahl mit 40 oder 45 Prozent seinem Gegner unterläge, wäre dies dennoch ein Achtungserfolg für die SVP, da sie mehr Wähler auf ihre Seite gezogen hätte, als ihr Wähleranteil eigentlich erwarten liesse.