Re: Bundesratswahl durch das Volk
At Rator
Deine Hypothese mag zutreffen aber es ist fast unmöglich sie zu testen. Es ist nur schon theoretisch schwierig sich ein passendes Instrument zu überlegen damit die Ausgaben einer Partei exogen variieren und selbst dann ist die Reaktion der Gegenpartei von der exogenen Variation in den Ausgaben der anderen abhängig. Ganz zu schweigen davon, dass du nie in das Gebiet rein kommst welches man bräuchte um deine Hypothese zu testen. Im Optimum werden ja beide Parteien soviel investieren bis der Grenznutzen kleiner ist als die Grenzkosten. Unter Standardannahmen (also zuerst zunehmende marginale Stimmengewinne und dann abnehmende) trifft deine Hypothese zu dass Geld eine Rolle spielt, aber du weisst nicht wo der „Wendepunkt“ ist, du weisst nur dass sich die Parteien üblicherweise irgendwo rechts von diesem befinden. Das einzige was man von einem theoretischen Standpunkt aus sagen kann ist, dass Geld irgendwie einen Einfluss haben wird und dass es sich lohnt, aber wir werden wohl kaum je messen können wie gross der ist, wir beobachten nur die Gleichgewichte und dort hat Geld fast keinen Einfluss mehr. Zudem; Grenznutzen ist nicht nur gleich Anzahl der Stimmen, der Nutzen von Parteien resp. deren Spendern hängt wohl noch von anderen Faktoren ab.
Für das Agendasetting ist Geld wohl von Vorteil, allerdings sind schon etliche Initiativen mit bescheidenen Mitteln gestartet worden, kann mir daher nicht vorstellen dass wir uns in einem Bereich befinden wo die Mittelunterschiede von Parteien relevant sind.
Das Problem ist, dass Politiker relativ grossen Spielraum haben nach einer Wahl. Und daher können sie potentiell vom Wählerwillen abweichen. Das ist aber nicht im Sinne des Wählers, er wird die Stimme demjenigen geben, bei dem er davon ausgeht dass er seine Präferenzen am unverzerrtesten in den politischen Prozess einbringt. Wenn der Politiker jetzt möglich viele Stimmen gewinnen will, dann kann er sich mittels Ideologie selbst in seinem Handlungsraum einschränken und wird dadurch von gewissen Wählern eher gewählt. Dieses Signal ist umso stärker, je weniger Vertrauen Wähler in Politiker haben und je grösser deren Spielraum ist (was voneinander abhängt). Also könnte man durch einschränken des Handlungsspielraums durch Institutionen (mehr Wettbewerb zb) erreichen, dass das Signal Ideologie nicht mehr soviel Wert hat und daher die Politiker und die Wähler Kompetenz im Wahlkampf stärker gewichten.
Menschenrechte und Grundrechte in der Verfassung sind evtl. näher am Atomkraftwerk. Der Verfassungstext ist es imo nicht. Das sind meistens Grundsatzentscheidungen und die Informationen darüber sind weit in der Bevölkerung verteilt. Ich bin der Überzeugung und das wird durch einen Grossteil der mir bekannten Literatur unterstützt, dass Menschen sehr gut darin sind im Kollektiv Probleme zu lösen unter gewissen Bedingungen. Auch wenn diese unglaublich komplex sind (siehe Finanzmärkte und ja; klar gibts dort Verbesserungsmöglichkeiten aber fast keiner schlägt ihn systematisch). Ich bin zudem der Meinung dass Politiker weniger objektiv und viel stärker aus dem Bauch handeln als das Volk und zudem weniger Informationen haben. Die Begründung dahinter ist das viele Informationen weit verteilt sind und die Informationsaggregation nicht systematisch geschlagen werden kann (durch Politiker) und zudem dass es ja fast per Definition schwieriger ist objektiver zu handeln als die gesamte Stimmbevölkerung in einem Land (zugegeben, trifft beschränkt zu). Ich glaube zudem auch nicht dass Bürger kürzere Horizonte haben als Politiker, eher das Gegenteil, vor allem wenn diese ihre Amzeitbeschränkung erreichen. Und wie bereits mehrfach betont, Politiker verfolgen oft andere Ziele als die, die ihre Auftraggeber wünschen. Bezüglich Denkzettelabstimmung; diese erlebt man wohl viel eher in einem Parlament als von der Bevölkerung.
Zu deinem Pilotenbeispiel. Das Pilotenbeispiel fusst auf der Idee, dass Politiker bessere Fähigkeiten haben politische Entscheidungen zu treffen als die Bürger (möglich) und dass sie mehr Informationen zur Verfügung haben (oftmals falsch). Die Delegation erfolgt nicht nur wegen Fähigkeiten und besseren Informationen, sondern auch, weil es den Entscheidungsprozess effektiver (schneller) macht. Irgendwo gibt es aber eine Grenze, je nach Verteilung der Informationen, je nach Wichtigkeit des Geschäftes und je nach zusätzlichen Kosten der Bevölkerung sich damit zu beschäftigen, wo es vorteilhaft wird wenn eben die Bevölkerung über Dinge abstimmt. Und das ist vor allem dann der Fall wenn es eben um allgemeine Dinge und Grundsatzentscheide geht (üblicherweise erfordern diese wenig Spezialwissen und sind eher moralische Entscheidungen) und da ist das Volk wohl massiv besser geeignet.
Bezüglich Staatsverträge vors Volk: Weiss ich nicht in welche Kategorie diese Abstimmungen fallen würde, aber per se sehe ich wenig Grund wieso Politiker bei grundlegende Staatsverträgen diese Entscheidungen besser fällen könnten (vll weniger bei einem Freihandelsabkommen mit Indien).
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