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Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen?
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armi94 Offline
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Beitrag #140
Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen?
Bezüglich Reichtum und Fairness:
Sehr sehr gute Blogbeiträge ua von einem Nobelpreisträger zum Thema Reichtumg/Fairness und Besteuerung (erster Blogpost besser als zweiter, btw sowieso ein sehr sehr guter Blog von zwei der renommiertesten Ökonomen (Becker ist Nobelpreisträger) und immer sehr einfach verständlich):
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.becker-posner-blog.com/2012/10/luck-and-taxation-becker.html">http://www.becker-posner-blog.com/2012/ ... ecker.html</a><!-- m -->
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.becker-posner-blog.com/2012/10/luck-wealth-and-implications-for-policy-posner.html">http://www.becker-posner-blog.com/2012/ ... osner.html</a><!-- m -->
Der Punkt den Becker macht ist der folgende:
“For example, one may correctly believe that luck has a major role in determining the genes, education, and other opportunities of highly successful individuals, and yet believe as well that high tax rates on their income and wealth would induce major changes in their behavior. Conversely, one can believe that luck is unimportant in determining success, and at the same time believe that high tax rates on rich individuals would little affect their behavior.”
Was impliziert, dass “Glück” bei der Erlangung von Vermögen zwar ein moralischer Grund scheint um Steuern darauf zu erheben, dass es aber aus Wohlfahrtsgründen trotzdem für alle (monetär) besser sein kann, diese Leute bei grossen Verhaltensänderung durch höhere Besteuerung nicht höher zu besteuern. Oder ein wenig anderst formuliert, man muss sich überlegen wie man am meisten aus diesen Individuen für die Allgemeinheit rausholen kann und das deckt sich nicht per se mit gewissen Moralvorstellungen.

Bezüglich Armut und Ungleichheit:
Danke für den aufschlussreichen Link. Ich will nur darauf hinweisen dass diese Statistiken zwar sehr gut wichtig zu nehmende Ungleichheiten aufzeigen aber dass sie eben nur relativ vergleichen. Es kann durchaus sein und ist wohl in der Regel auch der Fall, dass sich der absolute Lebensstandard der Armen trotzdem verbessert (qualitativ bessere Produkte zum selben Preis etc). Man muss solche Statistiken als das nehmen was sie sind: Indikatoren für Ungleichheit. Die Meisten würden aber eine ungleichere Gesellschaft bevorzugen in der alle besser gestellt sind als in einer „gleicheren“ Gesellschaft und das ist meiner Meinung nach einw ichtiger Punkt der sehr oft vernachlässigt wird. Man sollte aber natürlich versuchen zu ergründen woher diese Ungleichheiten kommen und ob es ein Problem gibt oder ob alle Leute zufrieden sind trotz Ungleichheit (eher unwahrscheinlich).

Bezüglich USA und Ungleichheit:
Das ist meiner Meinung nach höchstens ein Indiz, aber eben auch nur das. Es gibt extrem viele Faktoren die Ungleichheit beeinflussen und alleine schon Europa ist extremst heterogen. Während zum Beispiel Frankreich und Italien zu ihren Reichsten umverteilen, verteilen die nordischen Länder und die Schweiz zu den Ärmsten um (Public Choic III, Mueller Ch.3). Zudem gibts in den USA Probleme die sich massivst von Problemen europäischer Länder unterscheiden (Regulierungen gewisser Branchen, Rigiditäten im Bildungssystem). Umverteilung ist nicht gleich Umverteilung und oftmals, vor allem in Ländern mit wenig ausgeprägten direktdemokratisch und föderalistischen Strukturen wird die Ungleichheit durch Umverteilung grösser anstatt kleiner. Zudem; wenn man Trons Grafik als Indiz nimmt, spricht das eher für starke Besitzrechte und freie Märkte, aber auch hier; es ist weitestegehend unklar in welche Richtung der Zusammenhang läuft.
Ich habe überhaupt nicht das Gefühl dass die nordischen Länder nicht mitziehen können und ich persönlich denke, dass diese in vielen Bereichen vorbildlich agieren (Studenten müssen ihr Studium bezahlen, erhalten aber Dahrlehen). Allerdings gibt es auch einige Schwächen und afaik hat Schweden erst kürzlich glaubs die Steuern gesenkt und die Arbeitsmarktflexibilität erhöht aufgrund von hoher Arbeitslosigkeit. Und da liegt auch ein Hauptproblem europäischer Länder die im Generellen extrem rigide Arbeitsmärkte haben. Das führt dazu dass zwar während einer Krise weniger Menschen entlassen werden, diese aber keinen Job mehr finden und die langfristige Arbeitslosigkeit höher ist. (Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.economicshelp.org/blog/5908/economics/us-vs-eu-unemployment/">http://www.economicshelp.org/blog/5908/ ... mployment/</a><!-- m -->)

Bezüglich Externalitäten:
Ich stimme mit deinem Blog überein und genau das sagt auch der Mainstream der Wirtschaftstheorie. Staaten gibt es aufgrund allokativer effizienz und Umverteilungsmöglichkeiten (verhindern von Trittbrettfahrern, Diebstahl etc). Ich kann auch nichts anfangen mit einem libertären/anarchistischen „Staat“ weil er eben gewisse Möglichkeiten verhindert EFFIZIENT umzuverteilen. Und da liegt das Problem. Erstens muss man unterscheiden zwischen allokativer Effizienz, welche alle Menschen besser stellt und daher durch Einstimmigkeit angenommen würde (zB Sicherung von Besitzrechten) und Umverteilung. Allokative Effizienz bezieht sich auch auf Märkte und da ist die Wirtschaftstheorie der Meinung das weitgehend Freiheiten gelassen werden sollen um den Kuchen für die Umverteilung möglichst gross zu machen. Diese erfolgt dann in einem zweiten Schritt. Und hier gibts jetzt die Möglichkeit von Umverteilung als Altruismus, Versicherungsgründen und aus allokativen Gründen (Bildung für die Armen -> allen können davon profitieren). Aber es gibt eben auch Umverteilung „als Nehmen“. Wo der politische Prozess einfach so beeinflusst wird damit man sich bereichert. Privates Spenden ist pareto optimal, weil alle spendenden Personen einverstanden sind, es kann aber immer noch besser sein wenn der Staat das übernimmt und sicherstellt dass niemand der ursprünglich freiwilligen Spender dann noch abspringt. Aber, und das ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt, die Höhe der Umverteilung sagt nichts über die Güte derer aus noch dass der Staat die Umverteilung übernimmt. Die Güte ist grösstenteils durch Institutionen und den demokratischen Prozess abhängig der oftmals erhebliche Schwächen aufweist (unterschiedliche Verhandlungsstärken von Interessengruppen zb Bauern). (Public Choice III, Ch. 3)

Bezüglich Finanzmärkten:
Ich habe keinen Lösungsvorschlag der einen Systemwechsel vorschlägt. Aber es gibt sicher massive Verbesserungsmöglichkeiten bezüglich staatlicher Eingriffen auf den Finanzmärkten die einen erheblichen Beitrag hatten an der Immobilienkrise zB (FannieMae etc). Finanzmittel und Produktionsauseinanderdriftung ist in dem Sinn nicht wahnsinnig schlimm, da vieles nominell abläuft, also der Betrag wird einfach grösser, das hat aber überhaupt keinen Impact (reale Werte sind relevant). Was passieren könnte wären uU grössere Schocks aber habe ehrlich gesagt fast gar keine Ahnung in diese Richtung. Die Hypotheken Blase war eine Blase der langfristigen Investments. Sie hatte (gar) nichts mit Umschichtung von langfristigen Investments in kurzfristige zut tun. Langfristiger als in Hypotheken kann man fast nicht investieren. Zudem wie Paxi sagt, wenn zu kurzfristig investiert würde, dann könnte man mit einer einfachen Strategie immenses Geld verdienen – risikolos.

Bezüglich Gewerkschaften:
Mag sein, habe da aber keine Grundlage um das zu beurteilen. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen dass es unterschiedliche Interessengruppenstärken gibt und das ist aus ökonomischer Sicht ineffizient.

Bezüglich Studiengebühren:
Progressive Studiengebühren werden meiner Meinung nach massiv teurer als eine nicht progressive Erhöhung, da dann für jeden Studenten ein massivster Aufwand nötig wird.
Ich weiss das tönt jetzt sehr kaltschnäuzig, aber es ist nicht „böse“ gemeint. Aus Effizienzgründen muss es auch nicht gut sein, dass soviele Menschen wie jetzt studieren. Obwohl Bildung ein Stück weit ein öffentliches Gut ist und es daher wohl wünschenswert ist wenn der Staat diese subventioniert, heisst dass nicht dass wir jetzt am „besten“ Punkt angekommen sind. Es kann gut sein dass zu viele Menschen studieren und es muss auch nicht schlecht sein wenn gewisse Menschen nicht studieren, da es sich für sie halt nicht Lohnt (sie verdienen zB nachher nicht genug um den Kredit zurückzuzahlen, sind nicht bereit während dem Studium zu arbeiten etc). Das hat nichts mit Chancengleichheit in dem Sinn zu tun, sondern damit, dass es sich für gewisse Studenten weniger lohnt zu studieren was aus Effizienzgründen wünschenswert sein kann. Chancengleichheit sollte man meiner Meinung nach über Kreditvergabe und Stipendien sicherstellen (hätte wie gesagt positive Effekt der Allokation von Humankapital).

Bezüglich Lebensmittelmultis:
Ich mein diese Betriebe sind nur sehr beschränkt das Resultats eines „freien Marktes“. Aber nehmen wir an sie wären es. Es ist durchaus vorstellbar dass diese Firmen eine optimale Grösse haben. Wie gesagt erreichen Firmen ihre Grösse aufgrund von Grösseneffekten/Skaleneffekten. Ist es profitabel für eine Firme grösser zu werden wird sie grösser, bis zu dem Punkt wo es nicht mehr profitabel ist. Theoretisch würde man dann unter idealen Bedingungen attestieren dass diese Firmen hier eine ideale Grösse erreicht haben. Dass es jetzt nur etwa 5-10 Firmen hiesse in diesem Fall nicht, dass mehr Firmen besser wären. Sondern es sind dann eben genau die Anzahl an Firmen die, welche die Güter am günstigsten produzieren. In der Regel kann man auch in der realen Welt davon ausgehen dass eine solche Anzahl an Firmen noch hinreichend gross ist um Anreize zu generieren Produkte möglichst günstig zu produzieren (Eintrittsgefahr neuer Firmen, Marktsegmentkämpfe etc). Nun, in der realen Welt ist das nicht ganz so simpel, da solche Firmen in der Regel direkt oder indirekt durch Regulierungen und Steuern subventioniert werden. Das bringt erhebliche Wohlfahrtsverluste mit sich. Was ich sagen will: die Unternehmensgrösse und die Anzahl der Unternehmen ist nicht zwingendermassen ein Indikator für ineffizienz (wobei man sagen muss, dass die Preise in Modellen mit zunehmender Firmenanzahl sinken) und man kann daraus auch nicht zwingend ableiten dass der Markt frei oder nicht frei ist.

Entschuldigt den Monsterpost, aber ist ne spannende Diskussion.
12-14-2012 11:08 PM
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Re: Wohlstand und Reichtum: Sind wir die Bösen? - armi94 - 12-14-2012 11:08 PM

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