(04-25-2013 05:36 PM)armi94 schrieb: Vegane Leute haben dann den Wishful Thinking Bias einfach in die andere Richtung, Überschätzung von viel schlechter-messbarem Tierleid als Menschenleid etc.
True, aber das ist ein sehr schwaches Argument und spricht nicht gegen die Überwindung des Bias (von beiden Seiten natürlich) bzw dass diese Argumentation "nichts" bringt. Dort wo der Bias vorhanden ist, kann dies somit zu falschen Überzeugungen führen, da nicht rational entschieden wurde. Nur weil der Mensch viele kognitive Verzerrungen besitzt, bedeutet das nicht, dass sie unsere Handlungen rechtfertigen können.
Auch wenn es VeganerInnen gibt, die das Tierleid überschätzen, so heisst das ja noch nicht, dass es nicht möglich ist, das Tierleid einigermassen gut einschätzen zu können. Schlussendlich ist es eine rein empirische Frage und kann von wissenschaftlicher Seite betrachtet werden:
"How far down the evolutionary tree does conscious awareness of pain extend? In particular, can insects suffer? Fortunately, these questions do not require a complete understanding of consciousness before we can arrive at good answers. I'm already, say, 97% sure that you can feel pain, because you appear to be an organism with nearly identical physiology to my own, behaving in very similar ways. Similarly, I'm 95% certain that cats can suffer for similar reasons, including shared phylogenetic heritage, comparability of neural structures, and similarity of behavior under distress. However, when it comes to fish, I would assign only, say, 70% probability to the capacity for conscious suffering, and insects are considerably lower than that."
http://www.utilitarian-essays.com/consciousness.html
Ein weiterer Punkt: wenn wir von Menschen sprechen, dann meinen die meisten ausgewachsene, gesunde Personen, vergessen aber z.B. Kleinkinder mit einzubeziehen. Von diesen leiten wir auch nur durch Verhalten und neuronalen Untersuchungen ab, dass sie Schmerzen empfinden und würden diesen niemals unnötiges Leid zufügen. Jedoch bestehen keine Unterschiede zwischen gewissen nichtmenschlichen Tieren und Säuglingen, was ihre Schmerzfähigkeit anbelangt. Dennoch behandeln wir sie auf eine andere Art und Weise und geben ihnen Rechte, welche die nichtmenschlichen Tiere nicht besitzen.
Die Unterstellung, dass z.B. das Schmerzempfinden einer Sau viel geringer ist, als dasjenige eines ausgewachsenen Menschen, ist sowieso schwer haltbar. Wieso sollte dies so sein? Anhand was erkennt und bestimmt man diese Frage?
(04-25-2013 05:36 PM)armi94 schrieb: 1. Externalitäten sind bei Tieren viel weniger vorhanden -> impact eines toten Tieres wird im Gegensatz zu einem toten Menschen wohl massivst überschätzt (wohl vor allem bei Effective Altruism Strömungen)
Klar, gegenüber heute lebenden Menschen, die in einem Sozialsystem verankert sind, hat der Tod eines Menschen definitiv viel mehr externe Kosten und diese müssen auch mit einberechnet werden. Aber nehmen wir eine andere Ausgangslage, so dass diese Externalitäten nicht zum Zuge kommen:
Würdest du behaupten, dass wir somit auch eine Pflicht haben, Menschen, welche in vitro gezeugt wurden und die niemand kennt (ausser vielleicht ein paar ebenfalls in vitro gezeugte Menschen mit denen sie dann zusammenleben; oder auch nicht: siehe z.b. Matrix), zu erzeugen, welche zwar ein einigermassen gutes Leben hätten, aber nachher abtransportiert, geschlachtet und gegessen werden?
(04-25-2013 05:36 PM)armi94 schrieb: Generell: Es kann absolut plausibel für Fleischessen argumentiert werden weil dadurch die Gesamtwohlfahrt aller Tiere und Menschen immer noch maximiert werden KOENNTE.
Agree. Aber dafür müssten wir das Leiden der Wildtiere miteinbeziehen, denn deren Anzahl übersteigt die menschliche Anzahl bei weitem.
http://www.utilitarian-essays.com/number...imals.html
Mit dem fett anstreichen des "könnte", meinst du also auch, dass es heute noch nicht der Fall ist und eine vegane (allenfalls vegetarische) Ernährung die momentan sinnvollste ist um die Gesamtwohlfahrt zu maximieren?
Eine weitere Frage in dieser Hinsicht: ist es nicht wichtiger, unsere Ethik nicht über das Maximieren von Glück, sondern über das Minimieren von Leid zu definieren? Dies würde deine Annahme von der Gesamtwohlfahrt hinterfragen und eher auf das Gesamtleiden fokussieren, was ich für viel wichtiger halte.
Nein, es geht mir nicht darum, die Präferenzen "zu Gunsten" von Tieren zu ändern. Mir geht es darum, dass jedes Leiden verhältnismässig zu deren Ausmass auch berücksichtig werden soll. Aber unser Verhalten gegenüber Tieren ist heute noch so diametral (verglichen zum Mensch) und so widersprüchlich, dass es mir wichtig erscheint, deren Interessen zum Ausdruck zu bringen.
(04-25-2013 05:36 PM)armi94 schrieb: Allerdings gilt bei gegebenen Präferenzen NICHT per se dass es am effektivsten ist altruistisch zu handeln in dem man keine Tiere isst (Menschen denen Fleischessen bspw. sehr viel Freude bereitet sollten lieber Spenden anstatt einen grossen Nutzenverlust zu haben durch vegetarische Ernährung).
Hehe sehr interessant und schön, dass du EA-mässig argumentierst. Stimme ich dir natürlich auch vollkommen zu, sofern sich die Person auch wirklich über einen grösseren Zeitraum versucht hat, vegetarisch/vegan zu ernähren und, sofern es wirklich zu einer eklatanten Leistungs- bzw Kosteneinbusse kommt und man sich nicht vegetarisch/vegan ernähren kann, das Geld, dann auch tatsächlich an eine Organisation spendet, welches Tierleid verhindert (siehe Vegan Outreach oder The Human League).
Sehr grosse Freude alleine, kann aber noch kein Fleischessen rechtfertigen.