Nach all dem Gerede hier über Meisterschaften und wasweissich habe ich mir mal ein wenig Gedanken gemacht.
Schon immer habe ich mich gewundert, wie gross wohl die Varianz im Spitzensport ist, z.B. im Fussball. Sämtliche Spitzenteams haben sehr ähnliche Spielerstärken, sehr ähnliche Taktiken und sehr ähnliche Trainingsmethoden. Natürlich denkt jeder, dass "sein" Team das beste ist, aber ich denke, man kann gut sagen, dass sich im Grossen und Ganzen doch einige Teams die Waage halten können. Anders gesagt: "wenns lauft", dann können die Letzten der Super League mit scheinbarer Leichtigkeit gegen die Ersten gewinnen.
Unter diesen Gesichtspunkten scheint die Idee, jedes Team genau zwei Mal pro Jahr gegen ein anderes spielen zu lassen geradezu absurd. Andererseits denke ich, dass diese Varianz durchaus gewollt ist. Im Kommerziellen Spitzensport geht es IMO nicht darum, herauszufinden, wer der Beste ist (ausser den Spielern, aber was haben die schon zu sagen); die allermeisten Fussballfans "wissen" sowieso, dass
ihr Team das absolut beste ist. Ein klarer Favorit in jeder Partie und wenn sie das Spiel nicht gewinnen, dann war ganz sicher der Schiri schuld, oder der Publikumsmagnet-Spieler, der - vom Blick ausführlich dokumentiert - mit einer lebensbedrohlichen Knöchelverstauchung leider nicht mitspielen konnte. Es wäre ein Todesstoss für das System, wenn mit Klarheit feststehen würde, welches Team das beste ist, obwohl ich denke, dass etliche Fussballfans dieser Tatsache ignorant bleiben könnten.
Die Varianz ermöglicht es, dass jedes Jahr praktisch jedes Team den Meistertitel realisieren kann und garantiert so jedem Team seine Fans, die sich meistens wegen lokaler Begebenheiten mit einem dieser Teams verbunden fühlen, obwohl rein faktisch gesehen null Unterschied zu anderen Teams besteht. Nur an wenigen Orten wird Ignoranz so gross geschrieben wie im Kommerzsport; mir fällt momentan nur Religion ein, selbst Politiker sind ehrlicher gegenüber sich selbst.
Meiner Meinung nach ist Sport (als Spieler wie auch als Fan) lediglich eine Repräsentation von Krieg, die es den Menschen in einer fortgeschrittenen und grösstenteils pazifistischen Gesellschaft ermöglicht, ihre kompetitiven Triebe zu befriedigen indem sie sich einer Gruppe anschliessen und dann (auch als Fans) gegen die rivalisierenden Gruppen "in die Schlacht ziehen". Dieses Kompetitionsdenken bringt auch das Geld in das System, dessen Überleben und Wachstum schlussendlich davon abhängt. Wenn die Leute nur mal realisieren würden, wie Zerbrechlich dieses System eigentlich ist. Es basiert auf und hängt ab von ihrer Ignoranz und von ihrem sinnlosen Verhalten als Fans von Leuten, die nicht mal wissen, dass sie existieren.
Ja, die Macht der Triebe; und da sag mir doch einer, wir stammen nicht vom Affen ab (zur Klarheit: Wir
sind Affen. Und wir teilen einen gemeinsamen Vorfahren mit Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, der ebenfalls ein Affe war).
Und komm mir keiner mit "Ich schaue Fussball, um mit meinen Freunden Spass zu haben"; Bullshit! Dazu brauchst du Freunde, kein Fussball.
Gerade ist mir aufgefallen, dass dies alleine schon einen soliden Blogeintrag macht
So lange wollte ich gar nicht ausschweifen.
Was ich damit sagen will, ist folgendes: Die Varianz im Spitzensport ist huge. Die Varianz in Poker ist um ein Vielfaches huge-er. Was sollen also Meisterschaften, Team-Meisterschaften und solche Dinge? Es wird lediglich ausgemacht, wer an diesem Tag am meisten luck hatte; das ist - anders als beim Sport - jedem Pokerspieler irgendwo im Hinterkopf bewusst. Und nur weil einer an einem Tag gerade eine besonders gute Glückssträhne hatte, darf er sich darum für ein Jahr lang "bester Spieler der Schweiz" nennen, Schweizermeister halt. Ich finde den Gedanken zutiefst absurd.
Ich denke, wenn Poker in Turnierform gespielt wird, dann geht der Grundlegende Sinn der Spiels verloren. In Poker geht es darum, eine Strategie zu entwickeln, die perfekt auf die Begebenheiten zugeschnitten ist. In einem Turnier (live wie online) sitzt man oft mit 9 Unknowns für maximal ein paar Hundert Hände am selben Tisch. Es kommt sehr selten vor, dass man während dieser Zeit einen spezifischen Read formulieren und diesen dann auch noch einsetzen kann. Man muss auf generelle Strategien (gegen Fische, TAGs, etc.) zurückgreifen. Viel weiter geht es nicht, that's it. Logisch, wenn man online multitablet kann man Turniere sicherlich +ev grinden, aber für das einzelne Turnier - insbesondere live - bestimmt essentiell die Varianz den Gewinner und ich sehe wirklich nicht ein, was daran Spass machen sollte. Ich kann auch zu Hause mir und meiner Katze Karten austeilen und schauen, wer gewinnt.
Anders im Cashgamee. Wir spielen Cashgame, weil wir das Spiel lieben. Weil wir die Gedankenkriege lieben. Weil wir sehen und verstehen, wie Leute sich aneinander adjusten und re-adjusten. Leute, mit denen wir tagein, tagaus tausende von Händen spielen und so Reads formulieren können, die in einer Million Turniere nicht möglich wären. Wir spielen Cashgame, weil wir uns nicht zufrieden geben mit generellen Strategien; weil wir es lieben, zu denken und andere Köpfe zu verstehen. Unsere Strategien beziehen sich auf spezifische Spieler mit spezifischen Leaks, nicht auf aggregierte Gebilde von Stereotypen. Wir spielen Cashgame, weil wir auch nach einem Verlust am Table bleiben können, weil wir wissen, dass wir für unsere guten Entscheidungen ultimativ belohnt werden und dass unsere Fehler am Ende immer in Verlust resultieren.
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